Tobias Hoffmann Interview über das Album Innuendo
Tobias Hoffmann ist hier keine unbekannter vor ein paar Jahren habe ich seine erste CD Retrospecitve vorgestellt:
CD-Review: Tobias Hoffmann Nonet Retrospective - jazzreporter Webseite!
Seitdem hat Tobias zahlreiche Awards gewonnen eine genaue Übersicht findet Ihr hier:
https://tobiashoffmannmusic.com/about-tobias-hoffmann/
Jetzt hat Tobias mit seinem neuen Album „Innuendo“ auf Mons Records ein neues Werk vorgelegt, bei dem seine Kompositionen im Vordergrund steht. Diese Kompositionen sind vielfältig enthalten Elemente von Rock, Pop, klassischer Musik traditionellen Big Band Jazz. Die Musik ist spannend und fängt vor allem diverse Stimmungen sehr gut ein.
Über den Jazz und das neue Album habe ich mit Tobias unterhalten. Viel Spass beim Lesen!
Hallo Tobias,schön, dass du Zeit für jazzreporter com hast!
Hallo Alex. Sehr gerne, ich freue mich sehr über die Gelegenheit.
Welche Musik hat dich in deiner Jugend und bis heute geprägt?
In meiner Jugend hat mich eher viel Rock- und Popmusik geprägt. Das war hauptsächlich Musik, die ich bei meinen Eltern gefunden habe, oder aber auch Musik, die im Radio lief.
Der Jazz kam erst nach und nach in mein Leben und hat mich dann vor allem als Jugendlicher immer mehr fasziniert und seitdem auch nicht mehr losgelassen. Einen besonderen Stellenwert hat aber schon immer die großformatige Jazzmusik in meinem Leben gehabt.
Mein Interesse an Jazzmusik wurde maßgeblich über zwei Bands geweckt. Zum einen habe ich immer in der Big Band meiner Schule gespielt. Dort habe ich den Klang einer solch großen Band zum ersten Mal wirklich gespürt und erfahren, wie es ist, gemeinsam mit anderen in einem großen Klangkollektiv zu spielen.
Zum anderen waren die Jazzcombo der städtischen Musikschule und deren Leiter ein wesentlicher Grund, warum ich angefangen habe mich für Jazz zu interessieren. Er hat uns mit vielen klassischen Jazzaufnahmen konfrontiert und durch ihn habe ich angefangen Standards und Stücke zu lernen und mich mit Transkription zu beschäftigen. Gleichzeitig waren wir in der damaligen Besetzung einige Gleichgesinnte und wir haben gemeinsam die Musik ausgecheckt und uns gegenseitig mit Aufnahmen versorgt, welche wir gerade toll fanden.
Seit einiger Zeit interessiere ich mich auch zunehmend für klassische Musik und für zeitgenössische Musik. Ich finde es immer spannend neue musikalische Sprachen und die unterschiedlichen Ausdrucksformen kennen zu lernen.
Du lebst und arbeitest heute in Graz bist aber in Göppingen bei Stuttgart geboren. Was hat dich nach Graz verschlagen? War es dein Musikstudium?
Ich muss sagen, dass mein Weg nach Graz kein direkter war. Davor gab es noch Stationen in Hannover, Groningen (Niederlande) und Wien (Österreich). An all diesen Orten habe ich zuvor studiert, bevor ich den Entschluss gefasst habe nochmals ein Kompositionsstudium an der Kunstuniversität Graz bei Ed Partyka zu absolvieren. Graz kannte ich bereits über den Kontakt zu einem meiner wichtigsten Mentoren, nämlich Michael Abene; und natürlich vom JazzComp, einem der wichtigsten Wettbewerbe für zeitgenössische Jazzkomposition in Europa, bei dem ich 2017 dabei sein durfte. All dies hat mich letztendlich nach Graz geführt.
Was ist das Besondere für dich an der Jazzszene in Graz und was unterscheidet sie von der Jazzszene in Wien oder Stuttgart?
Die Jazzszene in Wien ist natürlich deutlich größer als die in Graz, was einfach auch daran liegt, dass Wien mit Abstand die größte Stadt und Hauptstadt Österreichs ist. Nichtsdestotrotz empfinde ich die Jazzszene in Graz als sehr vielfältig und lebendig. Natürlich ist sie sehr durch die Student*innen der Kunstuniversität geprägt, aber ich empfinde dies als sehr positiv. Zudem finde ich die Big Band Szene in Graz wirklich beachtenswert. Es gibt hier einige tolle Bands und die Tradition der großen Besetzungen ist hier absolut lebendig. Hier passiert viel und die Jazzszene ist sehr offen für Experimente. Zur Jazzszene in Stuttgart habe ich leider keinen Bezug mehr, da ich mittlerweile zu lange nicht mehr im Schwabenland aktiv bin.
Wie kam es dann zu Gründung deines Jazz Orchestras?
Das Interesse an Big Band und jazzorchestraler Musik hatte ich bereits in meinen Anfangsjahren als Musiker bzw. in meiner späten Schulzeit, als ich die Jazzmusik wesentlich auch über die Musik der Big Bands für mich entdeckt habe. Damals war ich schon fasziniert von den Klangmöglichkeiten einer Big Band und habe mir vorgestellt, wie es wohl ist selber solche Musik zu schreiben. Diesen Wunsch bzw. diese Idee habe ich dann für eine ganze Weile verworfen und mich erstmal nur auf das Spielen konzentriert. Am Ende meines Bachelor-Studiums als Saxophonist in den Niederlanden, als ich durch eine meiner zahlreichen Krisen an meinem Instrument ging und zunehmend das Gefühl bekam auch noch eine andere musikalische Ausdrucksform für mich zu finden, habe ich das Schreiben für mich entdeckt. Anfangs war es mehrheitlich nur das Arrangieren anderer Stücke für Big Bands und andere größere Jazzformationen. Im Laufe der Zeit kam aber auch zunehmend der Wunsch auf, für größere Besetzungen zu komponieren. Dann habe ich angefangen eigene Kompositionen für mein Tobias Hoffmann Nonet zu schreiben. Das war die erste Band, für die ich nicht mehr arrangiert, sondern nur noch eigene Kompositionen geschrieben habe. Aber der Wunsch nach der ganz großen Besetzung des Jazz ist geblieben und hat mich schlussendlich nach Graz zu meinen einflussreichsten Mentoren Ed Partyka und Michael Abene verschlagen. Hier konnte ich mir den Wunsch nach einem eigenen Ensemble erfüllen und das Tobias Hoffmann Jazz Orchestra gründen. Ich bin jemand, der viel durchs Tun lernt. Ob es wirklich Talent ist, weiß ich nicht, aber ich mag es, mich auszuprobieren und weiterzuentwickeln, Feedback zu bekommen und aus meinen Erfolgen und vor allem Fehlern zu lernen.
Für mich klingt dein Jazz Orchestra ein bisschen wie die Big Band von Peter Herbolzheimer- vorallem die Betonung auf den Posaunen- und Saxophonsatz. War diese Big Band für dich eine Inspiration?
Ich glaube für die meisten Musiker*innen, die aus Deutschland kommen und etwas mit Big Bands zu tun haben, waren die Person Peter Herbolzheimer und seine Musik ein wesentlicher Bestandteil der eigenen Entwicklung. Auch ich habe einige seiner Kompositionen und Arrangements spielen dürfen. Für das aktuelle Projekt war seine Musik aber keine wissentliche Inspiration oder Vorbild.
Du hast deine aktuelle CD „Innuendo“ auf Mons-Records verlegt- wie kam der Kontakt zu diesem Label zu Stande?
Auch die erste CD „Conspiracy“ des Tobias Hoffmann Jazz Orchestra wurde bereits auf Mons-Records verlegt. Damals habe ich überlegt, welches Label zu meiner Musik passen würde bzw. in die „Gesellschaft“ welcher andereren Musiker*innen ich passen würde. Mons-Records hat bereits die Musik anderer größeren Besetzungen und besonders Big Bands veröffentlicht und mir war schnell klar, dass dies mein präferiertes Label für die Veröffentlichungen meines Jazz Orchestras ist. Ich habe dann Thilo Berg, den Besitzer und Manager des Labels, angeschrieben und er hat glücklicherweise Interesse gezeigt und so sind wir uns sehr schnell einig geworden. Ich habe die Zusammenarbeit mit Thilo als enorm produktiv, professionell und wertschätzend empfunden. Mir war somit schnell klar, dass ich diese Zusammenarbeit auch bei der neuen CD fortsetzen möchte, und ich freue mich sehr, dass Mons-Records auch die neue CD veröffentlicht hat.
Innuendo was bedeutet das Titelstück genau?
Übersetzt bedeutet „Innuendo“ Anspielung oder auch Andeutung. Für mich ist dieses Stück eine Hommage an eine meiner absoluten Lieblingsbands, nämlich „Queen“. Nicht so sehr in dem Sinne dass der Titelsong besonders rockig oder eine Stilkopie der Musik der britischen Rockband wäre, sondern er ist viel mehr eine Hommage an die verschachtelten Songformen der Band. Die Musik von „Queen“ inspiriert mich auch heute noch als Musiker. Die Idee von verschachtelten Songformen mag ich sehr gerne und ich versuche meine Kompositionen zunehmend als durchkomponierte Stücke zu gestalten, die auf der einen Seite viel auskomponiertes Material enthalten und auf der anderen Seite auch den Solisten entsprechend Raum geben, sich auszudrücken und mit Ihrem Spiel die Kompositionen maßgeblich zu beeinflussen.
Wie ist diese CD genau entstanden- bist du mit fertigen Kompositionen und Arrangements angekommen oder haben sich die Stücke quasi im Studio entwickelt?
Die Kompositionen und Arrangements hatte ich alle im Vorfeld bereits fertig geschrieben. Dann habe ich allen Musiker*innen die Einzelstimmen und Audio-Demos zukommen lassen, damit diese einen Eindruck von der Musik bekommen bzw. sich vorbereiten können. Vor dem Studio hatten wir 2,5 intensive Probentage. Dort haben wir natürlich noch an Details gefeilt und ich habe bestimmte kleine Änderungen an Phrasierung und Dynamik vorgenommen. Abgesehen von diesen Änderungen haben wir die neue Musik aber so gespielt und aufgenommen wie ich sie im Vorfeld komponiert hatte. Für mich ist es immer ein besonderer Moment, wenn ich die Musik zum ersten Mal gespielt höre.
Was ist das Besondere für dich an der CD?
Das ist wirklich eine schwierige Frage. Ich freue mich auf jeden Fall sehr darüber, dass die Musik auf der CD meinen aktuellen Kompositionsstand und Entwicklungsprozess seit der letzten CD widerspiegelt. Zudem empfinde ich die Musik auf der CD als sehr ehrlich. Dies ist meine Musik, die ich ohne Kompromisse komponiert habe und hinter der ich voll und ganz stehe. Die CD beinhaltet einige meiner anspruchsvollsten Kompositionen, und ich bin sehr zufrieden damit, wie die Band die Musik interpretiert und gespielt hat.
Besonders ist für mich zudem, dass sich wieder so viele hochkarätige Musiker*innen so viel Zeit genommen und Energie in die Musik von jemand anderem gesteckt haben Dies ist für mich keine Selbstverständlichkeit und ihnen allen gebührt mein Dank, denn ohne sie würde diese Musik niemals existieren.
Was war für dich die größte Herausforderung bei diesem Projekt?
Die größte Herausforderung bei einem Projekt dieser Größenordnung ist immer das Organisatorische und die Logistik. Einen Zeitraum zu finden, an dem die meisten Musiker*innen können und ggf. entsprechende Aushilfen zu organisiere, ist immer eine spannende Herausforderung und für mich ist es immer auch ein bisschen surreal, wenn es klappt und sich so viele fantastische Kolleg*innen die Zeit nehmen dabei zu sein.
Eine weitere immense Herausforderung und einer der wesentlichsten Aspekte ist natürlich auch immer die Finanzierung eines solchen Projektes.
Ist die deutsche Jazzszene bereit für das Tobias Jazz Hoffmann Orchestra?
Hoffentlich ;-)…Spaß bei Seite. Ich wüsste nicht, warum nicht oder was dagegensprechen sollte. Auf der CD sind einige Kollegen aus Deutschland dabei. Ich würde mich jedenfalls sehr darüber freuen, wenn ich in der Zukunft in meinem Heimatland wieder musikalisch aktiver werden könnte.
Was sind deine nächsten Projekte?
Derzeit arbeite ich mit der Wiener Jazz Sängerin an einem neuen Programm. Dieses wird im Dezember 2024 in Wien präsentiert und im Frühjahr nächsten Jahres aufgenommen werden. Ansonsten komponiere ich - abgesehen von dem Schreiben von Arrangements – gerade wieder viel neue Musik für mein Tobias Hoffmann Jazz Orchestra und überlege, wann ich diese aufnehmen werde.
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