Bernhard Ullrich Interview
Bernhard Ullrich kenne ich seit vielen Jahren, zum ersten Mal habe ich ihn im Jahr 2006 mit dem Wine and Roses Orchestra in Fürstenfeldbruck gehört. Bernhard kommt aus Grünwald bei München und ist ein renommierter Künstler aus dem Swing / Mainstream Jazz Bereich. Er hat u.a. mit Al Porcino, Dusko Goykovich, Harald Rüschenbaum, Max Greger, Hugo Strasser und vielen anderen mehr zusammengespielt. Eine ausführliche Bio findet ihr hier:
Person » Bernie Music (bernie-music.de)
Bernhard hat auch ein Buch über den Jazz mit dem Titel „Was ist Jazz?“ geschrieben.
Was ist Jazz?: Eine kleine Stilkunde von Bernhard Ullrich : Bernhard Ullrich: Amazon.de: Bücher
Weitere Informationen über seine Aktivitäten findet ihr auch auf seinem YouTube-Kanal:
https://www.youtube.com/channel/UCOYou7eE1JGEbpAq2dYIRzg
Ich bin Bernhard persönlich bei einem Hugo Strasser Gedenkkonzert begegnet und höre seine Musik immer sehr gerne. Im Juli 2021 konnte ich mich mit Bernhard in Grünwald über seine Karriere, Jazz und seine aktuellen CDs (Collage seiner Alben findet ihr am Ende) entspannt austauschen.
Jazzreporter: Wie kamst du zur Musik?
Bernhard Ullrich: Das war über meinen Vater, der ebenfalls Musiker war. Er leitete auch hier in Grünwald die Blaskappelle. Ich habe schon im Alter von fünfeinhalb Jahren Klavierunterricht bekommen und im Laufe der Zeit kamen dann die anderen Instrumente dazu. Im Alter von 12 oder 13 Jahr habe ich Klarinette gelernt, diese habe ich dann in der Kapelle meines Vaters gespielt. Dann so zwei oder drei Jahre später kam das Saxophon dazu, welches ich autodidaktisch gelernt habe. Die Besonderheiten des Saxophons habe ich dann später durch den Austausch mit Kollegen und durch Unterricht und Studium richtig kennengelernt.
JP: Wer waren und sind deine Vorbilder?
BU: Natürlich unter anderem Benny Goodman als hervorragender Swing-Klarinettist der ersten Stunde. Aber genauso auch Buddy de Franco, Eddie Daniels oder Paquito D’Riviera, was die Klarinette betrifft. Wenn die Musik richtig gut swingt und einen guten Groove hat, dann macht es mir am meisten Spaß zu spielen. Aber meine stilistische Vielfalt ist groß, wie du ja an meinen CDs sehen kannst.
JP: Wann hast du deine ersten Jazz-Aufnahmen gemacht und was gefällt dir am meisten am Jazz?
BU: Das war wohl mit der Veterinary Street Jazz Band, dies ist eine traditionelle Münchner Dixieland-Band, welche Bekanntheit über die Knoff-Hoff Show erlangt hat. Ich habe dort in den 90er Jahren so um die 10 Jahre mitgespielt, da sind auch einige Platten entstanden. Meine erste CD mit eigenen Arrangements als Leader war die CD „Swing-Zwang“ von 1996.
Jazz kann man mit unterschiedlichen Tempi und Grooves interpretieren und die Soli entstehen im Moment und sogar bei Standards gibt es oft Überraschungen. Das macht die Musik für mich spannend.
JP: Was ist dann Jazz für dich?
BU: Darüber habe ich ein Buch geschrieben „Was ist Jazz“, weil es zu der Frage oft Missverständnisse gibt. Dort sind auch die Stile des Jazz und deren Hauptprotagonisten vorgestellt.
Der Jazz hat drei Haupt-Wurzeln, nämlich Blues, Ragtime (auch wenn er von einer Band gespielt wird) und die Marschmusik. Die französische Klassik sehe ich nicht an vorderster Stelle. Viele Musiker in New Orleans konnten damals keine Noten lesen, aber sie haben ihre Instrumente bei klassischen Musikern ordentlich gelernt, denn es gab zur Entstehungszeit des Jazz auch ein französisches Opernhaus in New Orleans. Das ist auch wissenschaftlich gut erforscht.
Jazz ist mittlerweile eine vielfältige freie Musik mit unendlich vielen stilistischen Verästelungen.
Jazz, wenn ich ihn spiele, ist für mich ein Gefühl der Freiheit. In einem guten musikalischen Umfeld mit tollen Musikern entstehen beim Spielen kreative Freiräume, in den man seine Ideen freien Raum lässt. Dies passiert gemeinsam mit den Musikern innerhalb der gegebenen musikalischen Struktur.
JP: Deine Art von Musik wird auch oft als Mainstream-Jazz bezeichnet, ist es das Gleiche wie Swing?
BU: Nein, da muss man schon unterscheiden. Der Begriff Swing bezieht sich stilistisch auf die 30er und frühe 40 Jahre. Der Stilbegriff Mainstream ist später entstanden. Mainstream besteht aus Swing, Bebop, Cool Jazz und Blues mit einer swingenden und groovigen Rhythmus-Gruppe, wenn jeder Musiker Standards in seinem eigenen Stil spielt.
JP: Was hörst du gerne für einen Jazz?
BU: Ich bin da relativ offen. Ich habe eine große Sammlung. Ich höre gerne Instrumental-Jazz, natürlich vieles aus dem Swing-Bereich aber auch die großen modernen Saxophonisten wie Dexter Gordon, Coltrane, Gerry Mulligan, Stan Getz, Paul Desmond und zwischendrin die klassischen Aufnahmen von Charlie Parker.
Aus dem Klarinettenbereich höre ich zur Zeit gerne Paquito D´Rivera, ein virtuoser Jazzklarinettist mit einem Latin-Groove. Außerdem höre ich diverse Jazzradios und rate gerne dann wer da gerade spielt.
Natürlich muss man hier Louis Armstrong nennen, da höre ich alles von den frühen Hot-Five bis zu seinen letzten Aufnahmen mit den All-Stars.
JP: Was ist deine Meinung zur deutschen Jazzszene? Ist sie wirklich mittlerweile eigenständig?
BU: Ja, ich denke, das ist Sie schon seit den 50er Jahren seit den Zeiten von Albert Mangelsdorff in Frankfurt. Ganz wichtig für die eigenständige Entwicklung war die Etablierung von Jazzstudiengänge an den Universitäten in Deutschland. Das hat auch ganz klein angefangen, am Anfang war das nur ein kleiner Bestandteil im Musikstudium, heute ist es eine eigene Studienrichtung.
JP: Wie läuft so die Vorbereitung von einem Jazz-Konzert bei dir ab?
BU: Ich bin mittlerweile einige Jahre im Geschäft, daher verfüge über viel Erfahrung. Bei erfahrenen Kollegen mit dem gleichen Feeling für die Musik reicht am Nachmittag vor dem Konzert eine Durchlaufprobe, bei der man die Stücke kurz anspielt, aus. Da stimmt man sich über das Intro und die Abläufe der Stücke mit seinen Kollegen ab. Große lange Proben macht man bei neuen Projekten.
JP: Wie kam deine Zusammenarbeit mit Hugo Strasser zustande?
BU: Vor ungefähr 25 Jahren habe ich zum ersten Mal im Hugo Strasser Orchester ausgeholfen. Zu der Zeit hatte das Orchester nicht mehr so viel Arbeit wie in den 70ern und 80ern Jahren, daher kam es oft zu personellen Wechseln. Das hat der jeweilige Satzführer organisiert. Im Laufe der langen Zeit habe ich an allen Positionen im Saxophon-Satz gespielt. Hugo und ich haben uns auch persönlich gut verstanden, er war ein sehr lieber Mensch.
JP: Ist die Leitung des Orchester Hugo Strasser für dich eine Freude oder eine Bürde?
BU: Ich leite das Orchester musikalisch seit der Saison 2019/2020, da der Nachfolger von Hugo Strasser Heinrich Haas Jr. aus gesundheitlichen Gründen die Leitung abgeben musste. Er ist leider im April 2020 an Krebs gestorben. Es ist naheliegend, dass ich das Orchester musikalisch leite, denn ich habe jahrelang Erfahrung in der Leitung von kleineren und größeren Bands gesammelt. Nein es ist keine Bürde für mich, denn ich kann mich mit dem Orchester-Sound total identifizieren. Die Resonanz vom Publikum war bisher auch sehr positiv.
JP: Wie ist deine Band mit Martin Breinschmid entstanden? Du hast mit ihm zwei CDs aufgenommen.
BU: Die Verbindung ist über das Wine and Roses Orchestra entstanden. Der Gründer des Orchestras Peter Wortmann hat mal zu einem Benny Goodman Tribute Konzert den Vibraphonisten Martin Breinschmid aus Österreich eingeladen. Er spielte Stücke im Stil von Lionel Hampton. Ab da haben wir beschlossen auch Arrangements für kleinere Besetzungen zu schreiben. Wir haben dann einige Konzerte gegeben bevor wir die CDs aufgenommen haben.
Die aktuelle CD „Mission to Swing“ enthält überwiegend Stücke aus den 30er Jahren, wie schon oben erwähnt liebe ich diese Stücke, auch weil bei jedem Konzert immer wieder etwas Neues passiert.
Aktuell ist keine neue Aufnahme geplant, man kann heutzutage die CDs auch immer schwieriger verkaufen.
JP: Wie kam es zur Gründung des Transalp Quartett?
BU: Ich war eine Zeitlang sehr oft in der Gegend von Como und habe dort den Vibraphonisten Marco Bianchi kennengelernt. Er hat mich eingeladen mit seiner Besetzung zu spielen. Es ist stilistisch reizvoll, denn ein Quartett ohne Klavier mit Vibraphon ist sehr selten. Die Klarinettenstücke auf der CD sind zwischen Swing und Bop. Eine besondere Nummer ist Almost The Blues, eine Komposition von Paul Kuhn, mit dem ich gerne zusammengespielt habe. Das Stück hat eine eigene Form und ist sehr besonders.
JP: Wie ist deine Meinung zu den vielen Streamingangeboten?
BU: Ich benutze Streamingdienste wie Spotify nicht, habe aber angefangen Musik über verschiedene Dienstleister hochzuladen. Ich hoffe natürlich, durch die Verwertung etwas zu verdienen. Auch die GEMA setzt sich für eine verbesserte Verwertung im Internet für Komponisten ein. Natürlich ist es wichtig, dass man die Digitalisierung nicht verschläft als Künstler.
JP: Wie siehst du die Zukunft der CD?
BU: Die CD wird es auch in der Zukunft geben, auch wenn vielleicht nicht mehr so viel wie jetzt. Aber der Mensch will etwas in der Hand halten, man sieht es ja am Vinyl-Revival.
JP: Deine aktuelle CD hast du mit Thilo Wagner und Karsten Gnettner im Januar 2020 eingespielt. Warum war dir die CD wichtig?
BU: Die CD ist an einem Tag bei mir zuhause entstanden. Ich habe im Laufe der Jahre oft mit Thilo und Karsten gespielt, und wir hatten immer einen Riesen Spaß im Trio zu spielen. Es swingt unglaublich, auch ohne Schlagzeug. Hin und wieder möchte man als Musiker so etwas festzuhalten.
JP: Was ist für die Zukunft geplant?
BU: Ich versuche aktuell eine Location zu finden, in der mein Quartett einmal im Monat spielen kann. Es sollte eine gepflegte Bar sein. Das Konzert sollte drei Sets beinhalten und im zweiten Set soll jeweils ein junger Musiker vorgestellt werden, der am Beginn seiner Karriere steht. Das ist der Plan. Ich suche jetzt auch einen Sponsor.
JP: Dann wünsche ich dir viel Erfolg dabei, gerne können wir uns über mögliche Musiker austauschen. Danke für das Interview!
BU: Ich danke dir Alex! Gerne komme ich auf deinen Vorschlag bei Gelegenheit zurück.
Kommentar schreiben
Michael Rostalski (Sonntag, 21 November 2021 05:57)
Danke für das umfassende Interview, Alex.
Ein Streifzug durch die Musikgeschichte des Swing, beonders aus der Sicht des Klarinettisten und Orchestermusikers.
Michael Rostalski (Sonntag, 21 November 2021 06:02)
Der erwähnte Vibraphonist Martin Breinschmid aus Österreich interessiert mich in diesem Zusammenhang.