Fiona Fergusson Interview
Auf die schottische Sängerin Fiona Fergusson, die aktuell in Bayern lebt, wurde ich über Facebook aufmerksam. Fiona Fergusson ist die Tochter des Jazz-Pianisten Ken Fergusson. Sie ist eine klassisch ausgebildete Sängerin und hat während des Lockdowns ihre Debüt-CD „The Gift“ veröffentlicht.
Die CD wurde mit dem Klemens Marktl Trio aufgenommen mit Jim Rontondi und Lorenzo Petrocca. Auf der CD sind Bossa-Nummern, klassische Jazz-Standards, aber auch ungewöhnliche Stücke wie z.B. „Black Nile“ von Wayne Shorter enthalten. Über die Hintergründe habe ich mich mit Fiona Fergusson unterhalten, das Gespräch fand im April 2021 statt.
Mehr Infos über Fiona findet hier:
Jazzreporter: Wann hast du
dich entschieden, Sängerin zu werden?
Fiona Fergusson: Von klein auf ... Mein Vater war Jazz-Pianist aus Schottland, wo ich auch geboren wurde. Als ich 5 war, sind wir nach Holland gezogen – Den Haag, die Heimat meiner Mutter. Dort hat mein Vater über 10 Jahre in verschiedenen Formationen gespielt und für Big Bands arrangiert. Zu Hause haben wir immer nur Jazz gehört. Die Stimme von Ella Fitzgerald hat mich so berührt ... Da war für mich klar, dass ich Jazz-Sängerin werden wollte.
JP: Wer sind deine großen
Vorbilder auf der Gesangsebene?
FF: Ella war mein erstes großes Vorbild. Ich habe mich dann später immer wieder mit einer bestimmten Sängerin intensiv beschäftigt, z.B. Billy Holiday, Carmen McRae, Sarah Vaughan, Shirley Horn, Dinah Washington, Betty Carter, Nat King Cole, Natalie Cole. Später haben auch Roberta Gamberini, Jane Monheit und Gregory Porter mich beeinflusst. Ich habe sie alle durchgehört und alle paar Wochen entdecke ich wieder neue oder ältere Vokalisten, die mich irgendwie inspirieren, und von jedem kann ich eine Scheibe mitnehmen und zu meinem eigenen Stil beifügen.
JP: Welcher Jazzstil gefällt
dir am meisten? Viele Standards sind auf der CD enthalten. Was reizt dich an diesen amerikanischen Standards?
FF: Swingende Standards haben mich immer emotional gefesselt, es ist immer harmonisch, spannend, emotional und niemals langweilig. Vor allem haben mir die Soli der Musiker gefallen und dass jeder einzelne Musiker mal im Mittelpunkt steht! Es ist ein Austausch ohne Konkurrenz, sondern als Team. Man kann nur als Band gemeinsam swingen.
JP: Wie kam die CD „The Gift“ zu Stande? Warum hat es so lange gedauert, bis du die CD aufgenommen hast?
FF: Ich bin Autodidakt und wurde klassisch ausgebildet. Gesangsausbildungen in Lissabon, Hamburg und Bayern. Eine offizielle Jazz-Ausbildung an einer Uni konnte ich aufgrund meiner familiären Situation nie wahrnehmen. Später habe ich mich viele Jahre hauptsächlich der Familie gewidmet und sang semi-professionell in verschiedenen Formationen in Deutschland und Österreich. Seit die Kinder größer sind, habe ich der Musik mehr Priorität gegeben und mit der CD den nächsten Schritt auf einer professionellen Ebene umgesetzt ...
JP: Wie hast du die Band für deine CD „The Gift“ gefunden?
FF: Zuerst habe ich die Band gefunden ;) Bei einem Konzertbesuch in Wien habe ich den international vernetzten Spitzendrummer, Komponist, Arrangeur und Dozenten Klemens Marktl kennengelernt. Unsere gemeinsame Leidenschaft für Jazz- und Swing-Standards des Great American Songbook entwickelte sich zu einer guten Freundschaft und Zusammenarbeit. Es folgten einige gemeinsame Auftritte mit seinem Trio: Gregor Ftičar am Piano und Phillip Zarfl am Bass. Alles hat gepasst: die Chemie, der Sound ... einfach alles. Somit war für mich klar, dass jetzt der Zeitpunkt für meine erste CD gekommen ist. Ich hatte immer einen Trompeter als Solisten im Kopf für meine Aufnahme und durch Klemens Marktls internationale Vernetzung schlug er mir Jim Rotondi aus New York vor. Lorenzo Petrocca wurde auf mich über Hörbeispiele aufmerksam und kam mit seinem sensiblen Gitarrenspiel als surprise guest dazu.
JP: Warum hast du diesen
Titel gewählt?
FF: Mir hat einmal ein guter Musikkollege gesagt, wenn du als Sängerin im Jazz Erfolg haben möchtest, dann musst du dir die besten Musiker suchen. Okay ... es hat etliche Konzerte, Sessions und viele Kilometer im Auto gebraucht, bis ich das erreicht hatte.
Für mich war es wirklich ein großes „Geschenk“, mit diesem Musiker im Studio zu stehen und meine CD aufzunehmen, meine Freude und Dankbarkeit sind kaum zu beschreiben. Zudem ist der Songtitel „The gift of love“, in der Instrumental-Version bekannt als „Recado Bossa Nova“, auch einer meiner Favourites auf der CD. Diese CD zu produzieren ist das Beste, was ich jemals für mich selber umgesetzt habe ... Deshalb gab es keinen passenderen Titel für meine CD als THE GIFT.
JP: Wie hast du die Stücke ausgewählt? Es sind auch ungewöhnliche Stücke von Wayne Shorter oder Walter Nelson vorhanden?
FF: Die Auswahl der Stücke war wohl das Schwierigste für mich. Das war echt die Qual der Wahl ... :) Denn ich habe ca. 250 Songs im Repertoire und es gibt so viele gute Songs, die mir gefallen. Ich wollte sowohl ausgefallene Songs wählen, die nicht sehr häufig von Sängerinnen gesungen werden, als auch Titel mit Wiedererkennungswert. Da es meine erste CD war, habe ich mich für die Mischung entschieden aus Swing, Latin, Balladen, Blues und untypischen Vocal Songs. Ich wollte mich von verschiedenen Seiten präsentieren. Dann habe ich mich mit Klemens getroffen und wir sind die Songs durchgegangen und haben unsere Vorstellungen ausgetauscht und uns dann gemeinsam für die Interpretationen entschieden. Er hat dann alle Songs wundervoll arrangiert.
JP: Was gefiel dir am
meisten bei den Aufnahmen?
FF: Dass jeder Moment meine Erwartungen übertroffen hat, die Musiker haben vom ersten Moment an fantastisch gespielt und die Stimmung und der Sound waren überwältigend.
JP: Vermisst du die nicht möglichen Liveauftritte in dieser aktuellen Zeit?
FF: Wir alle vermissen die Liveauftritte, denn dadurch lebt die Musik, wir können nur diese Zeit zum Positiven umwandeln und kreativ sein, uns besinnen und bewusst werden über die wichtigen Dinge im Leben, um dann später die besseren Zeiten voll bewusst genießen zu können. Und ich bin mir sicher, dass die Zuschauer hungrig sein werden nach live entertainment jeglicher Art und das auch sehr schätzen werden. Mehr als zuvor.
JP: Bist du gerne auf Tour
unterwegs?
FF: Die Musik auf die Bühne zu bringen, ist genau der Kick für mich als Sängerin, das ist der Zauber, von dem ich nie genug bekommen werde :)
JP: Was ist deine Meinung zu den aktuellen Live-Streams?
FF: Tja, auf der einen Seite ist es sehr gut, dass Musiker die Möglichkeit haben, sich irgendwie zu präsentieren. Auf der anderen Seite frage ich mich, ob das wirklich eine gute Lösung ist, dass Musiker kostenlos ihre Kunst und Arbeit präsentieren, denn damit verliert es häufig auch an Wertschätzung. Und sicherlich ist dies nicht zielführend, denn die Menschen sollen schon merken, wie still es wird ohne Musik. Vielleicht würden damit sich mehr Menschen für die Öffnung der iveauftritte und Theater einsetzen.
Die Clubs, die Livestreams anbieten und den Musikern eine Gage zahlen, sind die wirklichen Unterstützer. Solche Konzerte sollten auch von der Regierung finanziert werden, das wäre zumindest eine gute Alternative, Musik und auch Theater zu unterstützen.
JP: Was sind deine nächsten
Pläne?
FF: Natürlich abzuwarten, bis wieder Konzerte möglich werden, damit ich meine CD-Vorstellungstour organisieren und promoten kann. Hoffentlich werden auch Festivals bald wieder möglich sein. Bis dahin werde ich natürlich schon an neuen Projekten arbeiten und die Zeit nutzen. Eine Big-Band-Produktion steht ganz groß auf meiner Wunschliste ... wer weiß ;)
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