CD-Review: Jazz at the Hollywood Bowl

CD-Review: Jazz at the Hollywood Bowl

Es ist Sonntagmittag und draußen tobt ein Schneesturm. Alle Geschäfte haben zu und man kann nirgendwo hingehen, also was macht der Jazzreporter? Richtig, er hört Jazz.

 

Für diesen Artikel gehen wir ca. 65 Jahre zurück in das Jahr 1956 und nach Los Angeles in die Hollywood Bowl. In Rahmen einer US-Rundreise hatte ich die Ehre, die Hollywood Bowl von außen zu sehen. Auch heute noch finden dort große Konzerte statt. Die Bowl ist vergleichbar mit der Berliner Waldbühne – also aufgebaut wie ein Auditorium.

In den 50er Jahren waren Jazzkonzerte dort eher eine Seltenheit. Sie wurde eher genutzt für große klassische Konzerte oder für Konzerte großer Popstars. Die Zeit der Rockgruppen war noch nicht angebrochen. Das große Konzert „Jazz at the Hollywood Bowl“ fand am 15. August 1956 statt. Die resultierende LP „Jazz At the Hollywood Bowl“ war eine der ersten LPs vom Jazzlabel Verve. Hinter dem Label stand Jazzproduzent Norman Granz.

An diesem Abend spielten folgende Jazzmusiker:

 

Ella Fitzgerald, Louis Armstrong, Art Tatum, Oscar Peterson, Illinois Jacquet, Roy Eldridge, Herb Ellis, Ray Brown und Buddy Rich.

 

Das waren alles Jazzstars, die heute längst einen Legendenstatus haben. In den 50ern gab es eine Fülle an tollen Jazzkonzerten, daher gingen solche Abende gerne mal unter. Im Jahr 2011 veröffentlichte das Label Hip-O Select erstmals das gesamte Konzert von diesem denkwürdigen Abend auf zwei CDs. Das Label gibt es heute leider nicht mehr, es war zeitweise bekannt für rare Jazzveröffentlichungen. Das Set von Louis Armstrong blieb lange Zeit unveröffentlicht. Der Grund waren rechtliche Schwierigkeiten, denn Armstrong stand zum Veröffentlichungszeitpunkt bei einem anderen Label unter Vertrag. Die Musik ist wie ein kleines Preview der damals geplanten Alben oder gerade veröffentlichter Alben der oben genannten Künstler.

Gehen wir mal etwas genauer auf die Musik ein.

 

Wie so oft bei Norman Granz startet das Set mit einer Jam Session mit Harry Edison, Roy Eldridge an der Trompete, Illinois Jacquet, Flip Phillips am Tenor-Saxophon und dem Oscar Peterson Trio mit Buddy Rich am Schlagzeug.

 

Ein beliebter Jam war das Stück „Honeysuckle Rose“, denn durch die vielen Akkordwechsel war es eine gute Möglichkeit, jeden Spieler vorzustellen. Die treibende Kraft hier ist Roy Eldridge, der das Tempo vorgibt, dem die anderen Mitspieler problemlos folgen können. Nach dem Auftakt kam ein Ballad Medley, auch hier wieder ein Feature für Roy Eldridge. Die Rhythmus-Gruppe hält das Tempo nicht zu hoch und gibt jedem Solisten breiten Raum, den diese mit ihren Tönen füllen. Am Ende gibt es ein Drum Feature von Buddy Rich auf dem Stück „Jumpin‘ at the Woodside“, welches mit halsbrecherischem Tempo gespielt wird.

 

Ich muss zugeben, dass mich diese Jam-Session nicht völlig überzeugt. Es klingt routiniert, aber es fehlt der letzte Esprit, vor allem von den Tenorsaxophonisten. Es mag auch daran liegen, dass die Jam-Session im Umfang reduziert worden ist, um den Hauptstars Ella Fitzgerald und Louis Armstrong mehr Zeit zu geben.

Ein erstes Highlight kommt mit Art Tatum, sicherlich einer der wichtigsten und bedeutendsten Pianisten des Jazz. Mit seiner Spielweise schuf er den Weg für alle Pianisten, die nach ihm kamen. Auf den vorliegenden Stücken improvisiert Art Tatum über die Akkord-Wechsel hinweg, ohne die Melodie zu verlassen. Oft spielt er also Intro und Melodie auf der einen Hand und auf der anderen Hand spielt er die dazugehörige Improvisation. Die vorliegenden Stücke sind alle Standards, außer die Nummer „Humoresque“, welche an ein altes Barmusikstück erinnert. Leider sollte Tatum nur wenige Monate nach dem Konzert sterben.

 

Das Set von Ella Fitzgerald ist historisch sehr interessant, denn es war gerade der Beginn ihrer zweiten Karriere als Sängerin des „Great American Songbook“. Das erste Songbook von Cole Porter war zu der Zeit noch nicht ganz aufgenommen. Ella swingt sanft und locker ihr Set. Ein Highlight ist ihre einfühlsame Interpretation von „Little Girl Blue“, mit der sie beweist, dass sie eine fabelhafte Balladensängerin ist. Sie singt mit bewussten Pausen und betont langsam jede Silbe, daraus macht sie ein Kunstwerk. Eine Parodie liefert sie mit „I Can´t Give You Anything But Love” ab, bei der sie verschiedene Sänger nachahmt. Dies war zu der Zeit sehr populär in den USA.

 

Das Oscar Peterson Trio stellt auch ein kleines Feature vor, auf dem das Trio Stücke aus seinem aktuellen Count-Basie-Album vorstellt. Hier sind vor allem die filigranen Solos vom Gitarristen Herb Ellis hervorzuheben, der über dem Sound des Trios schwebt.

 

Für mich das absolute Highlight ist aber das Set von Louis „Satchmo“ Armstrong. Er und seine Allstars swingen die Hollywood Bowl. Hier ist das swingende Piano von Billy Kyle auf „Indiana“ hervorzuheben. Ein kleiner Hit der All Stars war die Ballade „The Gypsy“, welche Satchmo hier sehr sentimental rüberbringt mit viel Herzblut. Eine aktuelle Nummer damals war „Ole Miss Blues“ aus dem W.C.-Handy-Album, bei der Schlagzeuger Barreet Deems drei Encores spielt. Mit „Bucket‘s Got A Hole In It“ gibt es eine stimmungsvolle Swing-Nummer, bei der alle Allstars ihre Bestleistung abliefern. Der andere große Hit war „Mack The Knife“, dies war die zweite US-Version dieses Songs und die erste swingende Jazzversion. An der Reaktion des Publikums konnte man erahnen, dass das ein Hit werden würde. Die Besetzung dieser Allstars entspricht auch der Formation aus dem Film „High Society“.

 

Der Konzertabend schließt mit zwei Duetten zwischen Ella und Louis Armstrong, darunter die Nummer „You won‘t be Satisfied“ – ein altes Duett aus den 40er Jahren, bei dem beide Probleme haben, den richtigen Text zu finden. Die letzte Nummer ist das obligatorische „When The Saints Go Marching In“, bei der alle Musiker kurze Solos haben. Die übliche Schlussnummer.

 

Das war jetzt ein schöner Ausflug in die alte Zeit des Jazz, solche Konzertabende haben den Jazz groß gemacht. Das Booklet liefert exzellente Hintergrundinfos und Fotos. Das Konzert wurde für das Jahr 1956 perfekt aufgenommen, natürlich ist es mit dem heutigen Standard nicht vergleichbar, aber ist trotzdem sehr gut aufgenommen.

 

Wollt ihr einen Ausflug in das Jazzjahr 1956 unternehmen, dann kauft diese CD hier:

https://www.discogs.com/de/Various-Jazz-At-The-Hollywood-Bowl/release/11554838

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Michael Rostalski (Sonntag, 28 März 2021 18:07)

    Dein Review auf diese legendäre Zeit macht Appetit auf den Jazz dieser Jahre, für viele Musiker der Beginn ihrer Karriere. Mein
    Kompliment für die fundierte Betrachtung �

  • #2

    Jürgen (Donnerstag, 01 April 2021 16:09)

    Sehr gute Beschreibung der einzelnen Sets.
    Das lässt die Erwartungen auf die Nach-Corona-Zeit noch weiter steigern!
    Endlich mal wieder LIVE Musik zu hören.
    Und Danke für den CD-Tipp.