LP-Review: Chet Baker/Wolfgang Lackerschmid

LP-Review: Chet Baker/Wolfgang Lackerschmid

 

Im Sommer letzten Jahres habe ich ein Gespräch mit Wolfgang Lackerschmid über seine Musik: https://www.jazzreporter.com/2020/06/11/wolfgang-lackerschmid-interview/.

 

Beide lernten sich im Jahre 1979 nach einen Festivalauftritt in München kennen und es sprang sofort der Funke über. Zu dieser Zeit hatte Wolfgang Lackerschmid ein Duo mit Herbert Joos. Der Sound gefiel Chet Baker so gut, dass er eine Platte mit Wolfgang Lackerschmid aufnehmen wollte. Wie so oft im Jazz ging es sehr schnell und ein Plattentermin wurde innerhalb von zwei Wochen nach ihrer Begegnung terminiert. Die Platte aus zwei Sessions hieß „Ballads for Two“.

 

Chet Baker war zu dieser Zeit ständig auf Tour und nahm diverse Platten für kleinere Labels auf. Er hatte damals ein kleines Comeback und spielte Trompete wieder auf einem sehr hohen Niveau. Sehr zu empfehlen sind auch seine Einspielungen bei dem kleinen Label Steeplechase. Aber zurück zu der Platte Ballads for Two.

Ballads for Two (Sandra Music – aufgenommen Januar 1979 – Stuttgart)

 

Die Stücke, die auf dieser Platte gespielt worden sind, enthalten vier Eigenkompositionen von Wolfgang Lackerschmid („Five Years Ago“, „Why Shouldn‘t You Cry“ und „Dessert“ und „Waltz for Susan“) und vier Jazz-Standards („Blue Bossa“, „You Don‘t Know What Love Is“, „Softly As In the Morning Sunrise“).

 

Beide werfen sich musikalisch die Bälle zu, wenn Lackerschmid einen Rhythmus spielt, greift ihn Chet Baker sofort auf und fügt einen passenden Gegenrhythmus ein oder spielt die Melodie weiter, so dass daraus eine musikalische Einheit wird. Einen guten gleichbleibenden Beat zeichnet die Nummer „Blue Bossa“ aus, bei der Baker langsam und gekonnt seine Interludes einsetzt. Das Stück „Five Years Ago“ zeichnet Gegensätze aus: Baker spielt schöne tiefe Töne zu den höheren Tönen zum Vibraphone von Wolfgang Lackerschmid.

 

Bei der Nummer „Why Shouldn‘t You Cry” hatten die Freundinnen von Baker und Lackerschmid bei der Aufnahmesession Tränen in den Augen. Eine sehr emotionale Nummer, denn Baker haucht die Töne in seine Trompete mit bewusst gesetzten Pausen, um jede Note zu betonen. Die Nummer wirkt zart und gleichzeitig zerbrechlich. Die Nummer „Dessert“ wurde in der zweiten Session aufgenommen und beide zollten Tribut an ihr Dessert Himbeeren auf Vanilleeis. Eine atmosphärische Nummer, in der die Percussion von Wolfgang Lackerschmid zum Einsatz kommt. Auch hier fügt Chet Baker die passenden Töne hinzu und er spielt zwischen den Noten.

 

Ein swingender Beat prägt den Standard „Softly As In The Morning Sunrise“. Man merkt, dass Chet Baker die Nummer sehr gut kannte, denn er spielt sie mühelos passend zum swingenden Tempo von Wolfgang Lackerschmid. An manchen Passagen spielt er sogar gekonnt um die Melodie herum.

 

Die Balladen waren die große Stärke von Chet Baker, so auch die Ballade „You don‘t Know What Love Is“, dies war ursprünglich ein Rehearsal Take, um sich heranzutasten. Aber Baker spielte es so herzzerreißend und emotional, dass es veröffentlicht worden ist. Die Nummer ist ein toller Beweis für die Klasse von Chet Baker. Für Wolfgang Lackerschmid waren es die ersten Noten überhaupt, die er mit ihm spielte. Die Platte endet wie so oft im Jazz mit einem kurzen Walzer „Waltz for Susan“, bei dem Baker wieder schöne Noten kurz hintereinander spielt. Wolfgang Lackerschmid hat ihn für die kleine Tochter einer Freundin auf dem Klavier improvisiert, bei der Aufnahmesession mit Chet Baker erinnerte er sich an das Thema und schrieb es auf.

Danach machte Wolfgang Lackerschmid eine Tour mit Chet Bakers Band. Der Auftritt in Kongsberg ist auf der Jazz-Icons-DVD dokumentiert. Nach der Tour sollte es ein Highlight geben, nämlich eine Quintett-Aufnahme mit Larry Coryell (Gitarre), Buster Williams (Bass) und Tony Williams (Schlagzeug) – also mit der ersten Garde in Stuttgart. Ursprünglich sollten nur Baker und Lackerschmid mit Larry Coryell allein spielen. Aber der Agent von Chet Baker schlug eine Rhythmusgruppe vor wegen der besseren Vermarktung für Tourneen. Eher spaßeshalber erwähnte Lackerschmid Tony Williams und Buster Williams und beide hatten wohl zur der Zeit Lust und Zeit mitzuspielen.

Wolfgang Lackerschmid/Chet Baker – Quintet Sessions 1979 (Sandra – Music aufgenommen 1979 – Stuttgart)

 

Auch diese Einspielung entstand relativ spontan nach der oben erwähnten Tour in Stuttgart. Buster Williams und Tony Williams waren wie Profis vorbereitet und brachten eigene Stücke für die Sessions mit.

 

Die Aufnahme begann mit dem atmosphärischen Stück „Mr. Biko“, auf dem alle Mitspieler Solos bekamen. Sehr schön sind hier die Gegensätze zwischen einem ruhig spielenden Chet Baker und einem stark aufspielenden Tony Williams. Der „Balzwaltz“ ist eine Komposition von Wolfgang Lackerschmid und es geht um das Balzen von Vögeln. Hier steht der Bass von Buster Williams im Vordergrund, der das Balzen symbolisieren soll. Das Vibraphone-Spiel ist hier passend zur Nummer abwartend und zurückhaltend, die Zwischenräume füllt Tony Williams gekonnt mit seinem kraftvollen Spiel aus. Auch hier greift Baker mühelos die Melodie auf. Auf der Platte gibt es zwei Versionen, nämlich einmal mit Scat-Gesang von Baker und einmal als volle Instrumentalversion. Wobei der Scat-Gesang nur sehr kurz ist.

 

Die Nummer „Latin One“ von Larry Coryell hat nur zwei Minuten, denn bei seinem Solo entschied er sich, seine Nummer „Rue Gregoire Du Tour“ zu spielen. Hier stehen die Funky-Einlagen von Larry Coryell im Vordergrund mit einer schönen runden Melodie von Chet Baker. Auf der Platte sind auch zwei Versionen zu hören. Eine Version war eine Probe. Die große Ballade auf der Platte ist „Here‘s That Rainy Day“, in die Baker seine ganze Emotionalität hineinwirft. Ein Gänsehautmoment auf der Platte.

 

Mit „Toku Do“ von Tony Williams können wir einen ausgelassenen Jam hören, bei dem Baker ausgelassen über den Grundbeat von Buster Williams spielt. Tony Williams gibt auch hier viel Tempo, was wieder den besonderen Pep in das Stück bringt.

 

Für mich sind beide Platten großartige Jazzplatten. Denn bei allen Platten spielen hervorragende Musiker, die das Wesen des Jazz kennen. Nämlich spritzige Improvisationen, viel Emotionalität und Herz. An den passenden Stellen wissen alle Musiker, wo sie das Tempo anheben bzw. passende Gegenmelodien spielen müssen. Chet Baker spielt meisterhaft Trompete, denn er kann jedes Tempo mitgehen und sein Spiel ist die Kirsche auf der Torte. Also eine Kaufempfehlung für euch.

 

Ihr könnt die Platten hier kaufen:

 

https://hipjazz.net/epages/a8cd05bc-fc52-456b-9612-1e49954ed715.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/a8cd05bc-fc52-456b-9612-1e49954ed715/Categories/5.

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