CD-Review: Dick Haymes- THE COMPLETE CAPITOL COLLECTION

CD-Review: Dick Haymes-  THE COMPLETE CAPITOL COLLECTION

 Die Coronakrise hat uns alle im Griff, das Selbstverständliche ist in diesen Zeiten nicht mehr gegeben. Gut, dass es noch gute Musik gibt wie beispielweise die CD „Dick Haymes -THE  COMPLETE CAPITOL COLLECTION“. Die CD fiel mir neulich beim Aufräumen auf den Boden. Jetzt werdet ihr euch fragen, wer zum Teufel ist Dick Haymes?

 

Der Name dürfte nur in ausgefallenen Expertenkreisen heute geläufig sein. Den großen Erfolg in Europa hatte Dick Haymes nie, obwohl er in den 60ern eine Zeit in Irland und England lebte. Doch in den 40er Jahren war sein Name in den USA sehr geläufig, denn er war mehrmals in den Charts vertreten. Außerdem war er in populären Musicals zu sehen und war fast jede Woche im Radio zu hören. Lieder wie „You‘ll Never Now“ und „It Might As Well Be Spring” waren sogar zeitweise Nr. 1.

 

Das Leben von Dick Haymes war turbulent. Es gab sieben Ehen, Alkoholabstürze, große Steuerschulden und ein viel zu früher Tod an Krebs im März 1980. Dick Haymes wurde im Jahr 1918 in Argentinien als Sohn der amerikanischen Auswanderer Marguerite und Benjamin Haymes geboren. Im Jahr 1922 wurde sein Bruder Bob Haymes geboren, der später ein bekannter Liedschreiber werden sollte. Um diese Zeit ließ sich Marguerite Haymes scheiden und sie brachte ihre Söhne zunächst in die USA. Die kommende Zeit sollte geprägt sein von häufigen Wohnungswechseln zwischen den USA, Frankreich und England. Marguerite Haymes war im Modebuisness tätig, doch ihr Unternehmen war letztendlich nicht erfolgreich. Mitte der 30er Jahre ließ sich die Familie von Haymes dauerhaft in den USA nieder und in dieser Zeit begann Dick Haymes, professionell zu singen, zunächst in kleineren Bands wie der Johnny Johnson Band und der Bunny Berigan Band. Nach Sinatras Weggang von Harry James wurde er dort als Sänger engagiert.

 

Hier beginnt die Parallele zu Sinatra, beide Sänger standen nie gemeinsam auf einer Bühne, sondern liefen eher parallel nebeneinanderher. Dick Haymes war der Nachfolger von Sinatra in der Band von Harry James und Tommy Dorsey. Beide sind in der letzten gemeinsamen Radiosendung von Sinatra und Tommy Dorsey (Box) zu hören. Danach sahen sich beide außer auf Filmpremieren kaum persönlich. Der Höhepunkt in Haymes Karriere war das Musical „State Fair“ aus dem Jahr 1945 mit dem Hitsong „It Might As Well Be Spring“, der sein Signature-Song werden sollte. Um diese Zeit hatte Haymes seine eigene Radioshow: „The Dick Haymes Show“ und „Club 15“, bei dem er sehr erfolgreiche Duette mit der Sängerin Helen Forrest sang.

Doch in den 50er Jahren wendete sich das Blatt. Haymes gab viel Geld aus und musste viel Unterhalt aus seinen schon damals drei gescheiterten Ehen zahlen. Um die Zeit kriselte schon seine vierte Ehe mit dem Filmstar Rita Hayworth. Noch schlimmer lief damals ein Ausweisungsverfahren gegen Dick Haymes, weil er seinen argentinischen Ausweis nie abgelegt hatte und um die Zeit verschärfte Aufenthaltsregeln in den Vereinigen Staaten in Kraft traten. Es durften nur Amerikaner mit US-Pass in den USA leben. Der Prozess dauerte mehrere Jahre. Zwar gewann Haymes, doch der Prozess hatte ihn in den finanziellen Ruin getrieben. Seine Filmkarriere war in den 50ern auch aufgrund seiner Alkoholprobleme beendet worden und im TV war er kaum zu sehen, da er zu der Zeit keine Hits hatte. Gerade in dieser turbulenten Zeit nahm er seine zwei besten Alben auf: „Rain or Shine“ und „Moonbeans“.

 

Der Deal von Capitol beinhalte die Aufnahme zweier Alben, zu dieser Zeit war Dick Haymes seit zwei Jahren nicht mehr im Studio gewesen. Haymes wählte seinen Musical Director Ian Bernhard als Arrangeur und Leiter der Aufnahmesessions für die Alben aus. Er hätte Nelson Riddle oder Billy May auswählen können, wollte aber Ian Bernhard, weil er die Streicherarrangements nicht zu sehr in den Vordergrund stellte. Ein paar Arrangements steuerte Johnny Mandel bei und der bekannte Violinist Felix Slatkin leitete die Streicher. Bei den Liedern handelte es sich um bekannte Standards oder Hits, die Haymes schon früher aufnahm. Der Streichersatz umfasste 12 Violinen, 4 Violas und 4 Celli.

 

Auf dem Album „Rain or Shine“ sind Stücke drauf wie „It Might As Well Be Spring“, „The More I See You”, “Where or When”, “Little White Lies” und der Titelsong “Come Rain or Come Shine”. Auf dem Album “Moonbeans” sind ähnliche Nummern drauf wie z.B. „Skylark“, „What’s New?“, „When I Fall in Love“, „The Way You Look Tonight”, “You Don’t Know What Love Is” oder “Isn’t This A Lovely Day”. Der Song “The Way You Look Tonight” hat ein bewusst langsames Tempo, um das Lied etwas düsterer zu machen. Haymes singt auf all diesen Liedern sehr sensibel, fast vorsichtig, so wirken diese bekannten Nummern wie neu. Der Song „What‘s New?“ klingt in der Version von Haymes wie eine zarte nachdenkliche Diskussion mit seiner Liebsten, dazu passt perfekt das zarte Streicher-Arrangement im Hintergrund.

 

Beide Alben sind vergleichbar mit den Alben „In The Wee Small Hours“ oder „Close To You“. Haymes‘ Stimme erinnert mehr an die von Bing Crosby als an Sinatra, denn er hatte eine Baritonstimme. Er haucht, bevor er eine Note langsam aussingt. Der Fokus der Aufnahmen liegt auf Balladen, doch sind auch eine paar leichte Swinger dabei, wie „Isn‘t This a Lovely Day“ oder „I Like the Likes of You“. Beide Alben sind aber primär Balladen-Alben, die eine schöne nachdenkliche, fast zerbrechliche Intimität haben, im Gegensatz zu Sinatra verzichtet Haymes auf Dramatik. Sein Gesangsstil liegt in der Mitte zwischen Crosby und Sinatra. Er hatte die Stimmlage wie Bing Crosby, aber er sang emotionaler, ohne es zu übertreiben.

 

Beide Alben wurden in insgesamt sechs Sessions aufgenommen und Haymes war nüchtern und in guter Stimmung. Haymes‘ Stimme war nicht mehr so rein wie in den 40ern, doch hatte sie mehr an Farben und Nuancen gewonnen. Namhafte Jazzmusiker wie Alvin Stoller (Schlagzeuger), Joe Comfort (Bass) oder Abe Most (Klarinette) verfeinerten die Aufnahmen.

 

Warum waren diese Aufnahmen über viele Jahre fast vergessen und haben sich nicht gut verkauft?

Das zu beantworten, ist nicht einfach. Es hängt sicher damit zusammen, dass damals die Zeit der großen Crooner, ausgenommen von Sinatra, vorbei war. Bei den jungen Leuten, die die meiste Kaufkraft ausmachten, waren rockige Songs angesagt. Auch wenn alle Songs auf diesen Aufnahmen von Haymes in sich großartig waren, so muss man das als zusammenhängend hören, einen richtigen Hitsong gab es auf den Alben nicht. Das hätte es gebraucht, um die Alben erfolgreich zu machen. Auch war das Leben von Haymes zu der Zeit immer noch sehr turbulent. Steuerschulden sollten ihn nur kurze Zeit später zwingen, nach England und später Irland auszuwandern. Im Jahr 1970 kam Haymes als irischer Staatsbürger zurück. Doch die Zeit bis zu seinem Tod im Jahr 1980 war schwierig. Oft tingelte er in alten Revueshows umher und nahm auch nur zwei Alben auf, die von seinem Fanclub finanziert wurden. Diese Alben verkauften sich nur in kleinen Stückzahlen und sind heute auch nur schwer zu bekommen.

 

Ich kann euch diese Alben sehr empfehlen. Man kann beide Sänger nicht miteinander vergleichen, weil sie ihren eigenen individuellen Stil hatten.

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