Guido May Interview
Guido May hörte ich zum ersten Mal im August vorigen Jahres mit Pee Wee Ellis im Rahmen der Guido May 50th Birthday Week in meiner zweiten Heimat, nämlich dem Jazzclub Unterfahrt in München. Kurz nach dem Konzert trafen wir uns auch für ein erstes Gespräch in München. Guido ist ein sehr sympathischer, authentischer und ehrlicher Mensch. Schon damals haben wir ein Feature vereinbart.
Guido wurde 1968 in Bad Reichenhall geboren. Er begann mit 15 Jahren, Schlagzeug zu spielen. Im Jahre 1989 ging es nach New York und er studierte am Vermont Jazz Center unter der Leitung von Atilla Zoller. Mitte der 90er Jahre zog er nach München und ist aus der Münchner Jazzszene nicht wegzudenken.
Er ist ein gefragter Sideman in der internationalen Jazzszene, dazu hat entscheidend ein Engagement bei Saxofonlegende Pee Wee Ellis in den späten 90ern beigetragen, bei dem er seither spielt und zahlreiche CDs aufgenommen hat.
Guido May unterrichtet heute Schlagzeug und ist ein vielbeschäftigter Musiker, der weltweit regelmäßig unterwegs ist.
Mehr Infos siehe:
https://www.facebook.com/pg/Guido-May-43853759521/about/?ref=page_internal.
Das Gespräch mit Guido fand in entspannter Atmosphäre in München im Studio von André Schwager statt. Vor dem Gespräch zeigte mir Guido sein funky Drumset.
Ach ja, und so schaut die Vorbereitung für ein Interview aus:
Jazzreporter: Welche Eigenschaften sollte deiner Meinung nach ein guter Schlagzeuger mitbringen?
Guido May: Ein Schlagzeuger braucht große Ohren, ein gutes Einfühlungsvermögen und vor allem ein gutes Feeling für die Musik. Je nach Musikstil braucht er natürlich viel Wissen.
JP: Nenne mir bitte deine 3 Lieblings-Drummer-Platten, die dich heute noch inspirieren.
GM:
Marvin “Smitty” Smith – „Keeper Of The Drum“
Charly Antolini – „Knock Out“ (Platte habe ich mit 15 Jahren bekommen)
Art Blakey – „Album Of The Year“
Mich haben aber auch noch viele andere Platten von Schlagzeugern inspiriert, you name it.
JP: Was bedeutet der Begriff Jazz für dich?
GM: Jazz ist für mich improvisierte Musik. Es ist genauso eine Kunstform wie Klassik und muss so auch akzeptiert werden. Jazz ist eine Lebensaufgabe für mich, wenn man einmal darin gefangen ist, will man ständig an sich weiterarbeiten und sich weiterentwickeln.
JP: Findest du, dass der Begriff „Jazz“ noch ausreichend Zugkraft hat?
GM: Es gibt Jazzfestivals, da spielen mittlerweile Rockbands. Wir reden von einer Randmusik und ich bin froh, wenn man den Jazzbegriff nicht zu eng definiert. Vielleicht geht der ein oder andere auch mal in einen Plattenladen und bleibt im CD-Regal bei Miles Davis hängen.
Jazz ist sehr weitgefächert und immer eine Geschmackssache.
JP: Magst du Jazzfestivals?
GM: Ja, natürlich! Es ist schwer reinzukommen. Im Oktober spiele ich mit Pee Wee beim Jazzfestival in Ebersberg. Ich freue mich drauf und du musst natürlich auch kommen.
JP: Was war dein erstes Jazzkonzert?
GM: Das war das Peter O´Mara Trio im Schloss Perlenstein bei Traunreut, meiner Heimatstadt. Das hat mich damals total umgehauen.
JP: Was ist dein Lieblingsstil im Jazz?
GM: Den gibt es nicht. Ich mag alles von Big Band, Avantgarde, Afro, Latin, Swing oder auch ungerade Taktarten. Die Musik diktiert mir, welchen Stil ich spiele. Je nach Musik benutze ich verschiedene Drumsets.
JP: Die erste CD, die ich von dir habe, ist Jürgen Seefelders „Straight Horn“, wie ist diese Zusammenarbeit mit Jürgen Seefelder entstanden?
GM: Jürgen wohnte damals in München, ich zog gerade dorthin und hatte davor mit dem Bassisten Thomas Stabenow in Roman Schwallers Band gespielt, der ebenfalls damals in München lebte. So kam auch der Kontakt zu Jürgen.
In den 90ern gab es eine weitgefächerte Jazzszene, viele Musiker und Clubs, wie das Allotria, den Club von Gerry Hayes und natürlich auch schon die Unterfahrt. Eine sehr tolle Zeit. Und ja, es wurden damals viel mehr CDs aufgenommen als heute.
JP: Wie kam die Zusammenarbeit mit Jenny Evans zu Stande?
GM: Das war über Rudi Martini, ihren Ehemann, ebenfalls Schlagzeuger, der mir damals mein Gretsch Set besorgte, das ich bis heute spiele. Ich bin ihm sehr dankbar dafür.
JP: Du hast auch schon Jazzstars wie Benny Golson und Dusko Goykovich begleitet? Hast du viele Geschichten gehört?
GM: Diese Jazzlegenden erzählen unglaubliche Geschichten, die ich wie ein Schwamm aufsauge. Benny Golson ist ein wandelndes Jazzlexikon, der stundenlang erzählen kann. Diese Leute sind alle unkompliziert. Sie müssen niemandem etwas beweisen.
JP: Seit den späten 90ern bist du regelmäßig mit Pee Wee Ellis in unterschiedlichen Projekten unterwegs. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
GM: Zu der Zeit, also in den späten 90ern, als ich Pee Wee kennenlernte, habe ich mich in der deutschen Jazzszene durchgekämpft. Ich ging zu vielen Konzerten und habe mir angesehen, wie es z.B. der etablierte deutsche Jazzschlagzeuger Wolfgang Haffner machte. Ich spielte bei Barbara Dennerlein und bin durch Glück an einen Gig mit Klaus Doldinger gekommen. An einem Tag spielte ich einen Frühschoppen in Seeon mit Barbara und am Abend ein Konzert mit Klaus.
Minor Music suchte damals eine Rhythmus-Gruppe für eine CD-Produktion von Pee Wee. Wir wurden kontaktiert, haben ihm ein Demo geschickt und es hat ihm gefallen. Die CD heißt „A New Shift“. Seitdem bin ich bei fast all seinen Projekten mit dabei. Ein Highlight war u.a. „Still Black, Still Proud“ - An African Tribute To James Brown, aus den Jahren 2008/2009. Du kannst es auf YouTube sehen.
Pee Wee ist wie ein Familienmitglied für mich. Durch ihn ergaben sich auch viele Konzerte mit Fred Wesley. Wenn du einmal in einem Artist Rooster drin bist, wirst du regelmäßig für solche Konzerte angerufen.
JP: Als Musiker musst du ständig reisen. Ist diese ständige Reiserei für dich auch nicht kräftezehrend auf Dauer?
GM: Es macht mir wenig aus. Ich bin eher schnell gelangweilt und mag es gern, viel zu spielen. Am Abend nach einem Konzert frag ich immer in jeder Stadt, ob es noch eine Jam-Session gibt. Wenn ich keinen Gig habe, gehe ich auf Konzerte oder Jam-Sessions.
JP: Findest du, dass es ausreichend Auftrittsmöglichkeiten für Jazzmusiker in Europa gibt?
GM: Nein, es gibt nicht ausreichend Auftrittsmöglichkeiten. Es werden viele Musiker ausgebildet, aber da Jazz eher eine Randgruppenmusik ist, gibt es oft mehr Musiker als Spielmöglichkeiten und die Clubs sind viele Monate im Voraus ausgebucht.
JP: Auf deinem Facebook-Profil befinden sich viele Fotos vom Münchner Jazzclub Unterfahrt. Was gefällt dir an dem Münchner Jazzclub Unterfahrt?
GM: Ich gehe auf viele Konzerte dort, es ist fast mein zweites Wohnzimmer mit einem durchgängigen, jährlichen Jazzfestival. Fast alle großen Jazzstars spielen in der Unterfahrt oder im Bayerischen Hof, wo ich legendäre Konzerte gesehen habe, z.B. Michael Brecker, Mike Stern, Joe Zawinul. München hat viel zu bieten, was den Jazz betrifft.
JP: Die Musikbranche ist allgemein in der Krise. Glaubst du, dass es in absehbarer Zeit überhaupt noch CDs geben wird?
GM: Ja, es wird immer noch CDs geben, denn die Leute wollen echte Dinge in der Hand haben. Man sieht das aktuell an der Vinyl Retro, sowas wird nie aufhören.
Ein Musiker will immer gehört werden, sei es auf CD oder Vinyl. Für mich ist es immer ein schönes Gefühl, jemandem meine CD mitzugeben.
JP: Was würdest du dir von Clubbesitzern und Tourveranstaltern wünschen?
GM: Ich bin zufrieden mit der Situation. Die Clubs und das Management haben sich gut entwickelt. Die Instrumente sind sehr gut, genauso der Sound. Es hat sich viel getan. In vielen Clubs kann ich sogar mein gewünschtes Schlagzeug aussuchen.
Die Gagen sind gleich geblieben, dann muss man halt viel mit verschiedenen Projekten und Bands spielen. Aber diesen Weg habe ich mir ausgesucht. Ich liebe diese Musik.
JP: Du gehörst ja auch zur Generation der Young Lions? Haben die Young Lions diese Jazzmusik zu kommerziell gemacht?
GM: Ich habe nichts kommerziell gemacht (lacht). Ich freue mich, wenn ich Musik live spielen oder im Studio aufnehmen kann. Ich liebe es, musikalisch breit aufgestellt zu sein. Ich mag es, wenn sich alles verbindet, z.B. der Funk mit dem Jazz. Für mich gibt es keine Grenzen. Ich selber höre auch Hip-Hop und beschäftige mich auch damit. Daher finde ich es toll, dass es YouTube gibt, denn hier hat man eine breite Auswahl an Musik, die man hören kann. Ich liebe verschiedene Stile und kann es mir nicht vorstellen, nur einen Stil zu hören oder zu spielen.
JP: Du spielst auch mit dem tollen jungen Gitarristen Paul Brändle. Wie kam das zu Stande?
GM: Ich habe Paul auf einer Jam-Session gehört. Wir haben uns super verstanden und sofort gewusst, dass wir was gemeinsam machen wollen. Die CD mit André Schwager und Paul Brändle enthält Standards und Funky-Nummern, immer sehr jazzig. Wir haben z.B. ein Mingus-Stück komplett in 7/8 Takt umarrangiert.
In einem Jahr soll die zweite CD auf dem Markt erscheinen.
JP: Du bist im Mai mit Wawau Adler auf Tour. Er ist ein Vertreter des Gypsy-Jazz. Was schätzt du an dieser Musikart?
GM: In dieser Szene kennt natürlich jeder jeden. Der Kontakt kam vor 20 Jahren durch Jermaine Landsberger zu Stande. Er hat mich gehört und mich für eine Tour mit Larry Coryell angefragt. Kurze Zeit später habe ich mit Bireli Lagrene und Stochelo Rosenberg gespielt. Ich habe mich dort sehr leicht reingefunden. Viele Musiker des Gypsy-Jazz mögen und spielen auch gerne modernen Jazz. Sandro Roy z.B. kann alles spielen. Ich halte mich da eher als Begleiter im Hintergrund.
JP: Welche weiteren Projekte sind in Planung? Sind CD-Veröffentlichungen geplant?
GM: Die CD mit Brändle-Schwager-May habe ich schon erwähnt. Mit meiner Band Groove Extravaganza spiele ich im Sommer auf ein paar Festivals. Im August habe ich mit Sven Faller einen Workshop an der Sommerakademie in Neuburg.
Im Oktober, wie schon erwähnt, das Jazzfestival in Ebersberg mit Pee Wee. Im Dezember eine Weihnachtstour mit Pee Wee und China Moses und kurz vor Weihnachten mein Debüt-Konzert mit der „Monaco Jazzclub Big Band“, deren Leiter ich bin. Darauf freue ich mich sehr.
Außerdem würde ich sehr gerne eine CD rausbringen, auf der man die Vielfalt meines musikalischen Schaffens sieht.
JP: Gute Idee, ich mache dir gerne die Liner Notes. Noch abschließend die Frage: Was ist deine Meinung über Kritiker?
GM: Jeder Kritiker sollte einen Blindfold-Test machen. Denn erst da sieht man, ob derjenige wirklich Ahnung hat. Man kann sich da natürlich furchtbar blamieren.
JP: Danke für das Interview!
GM: Danke. Wir sehen uns hoffentlich in Stuttgart oder im Herbst in Ebersberg, gerne können wir auch mal einen Blindfold-Test machen.
Guido May plays: DW Drums, Zildjian Cymbals, Vic Firth Sticks, Remo Head
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