Vladyslav Sendecki Album Review: Le Jardin Oublié / My Polish Heart
Seit vielen Jahren mag ich den polnischen Jazz. Er hat dem Jazz in Europa viele neue Impulse gegeben. Vor allem das Gefühl der Freiheit spürt man im polnischen Jazz. Ein führender Vertreter des polnischen Jazz ist Vladyslav Sendecki.
Vladyslav Sendecki wurde 1955 in Gorlice geboren und war in Polen schon ein gefeierter Klassik- Kinderstar. Er hörte mit 15 Jahren zum ersten Mal Weather Report und Mahavishni, deren Aufnahmen damals im kommunistischen Polen verpönt waren. Für ihn war es das Schlüsselerlebnis, welches ihn zum Jazz brachte. In der Jazzszene Europas war er bekannt mit den Formationen Extra Ball und Sunship. Ein sehr schwieriges Unterfangen im kommunistischen Polen. Daher immigrierte Sendecki 1981 in die Schweiz und dann nach Deutschland. Es folgte ein Aufstieg in die Oberliga des Jazz. Er spielte seitdem mit Leuten wie Marcus Miller, Joe Henderson, Jaco Pastorius, Billy Cobham, Til Brönner usw. Seit 1996 ist er festes Mitglied der NDR Big Band.
Doch trotz seiner Liebe zu seiner Wahlheimat Deutschland liebt Sendecki Polen von ganzem Herzen. Mit seiner Gruppe Atom String Quartett widmete er Polen dieses schöne Album. Die Stücke sind sehr unterschiedlich und haben viele historische Hintergründe.
Das Stück „Picture of the Past“ ist ein verträumter Song, welcher an ein Déjà-vu erinnert. Der Song „Lullaby for a handful kids“ klingt wie eine Verfolgungsjagd, die Violinen werden hier bewusst etwas fragmentarisch gespielt. Die Violinen übernehmen hierbei die Rolle eines Saxophones.
Die Nummer „Played View on Tatra“ hat viele Elemente von traditioneller polnischer Folklore. Es erinnert an ein Bürgerfest. Die Violine klebt sehr eng am Klavier. Die Melodie wird langsam musikalisch aufgebaut.
Der „A Little Waltz Wunderlich“ ist dem deutschen Jazzjournalisten Werner Wunderlich gewidmet, welcher sehr populär in Polen war. Das Stück hat viel Swing, ähnlich wie ein altes Stück von Stéphane Grappelli.
Das Stück „My Polish Heart“ ist eigentlich wie eine Suite, hier spricht die Seele von Vladyslav Sendecki. Das Stück strotzt von Freiheit, aber mit zartbitteren Noten. Die Vielseitigkeit und Kreativität kommen hier voll zum Ausdruck. Die Streicher begleiten nur punktuell, um manche Passagen besser zu betonen.
Die Nummer „Back Where I Belong“ entstand 1982 kurz nach der Flucht von Vladyslav Sendecki. Diese Ballade hallt beim Hören etwas nach. Den Schmerz kann man hier raushören. „Komeda Hommage“ ist dem größten polnischen Jazzpianisten aller Zeiten gewidmet: Krzysztof Komeda. Dieses Stück ist an der Klassik orientiert, lässt aber gleichzeitig viel Platz für Improvisationen. Diese baut Sendecki langsam auf und entfaltet sie immer mehr im Verlauf des Stücks. Die Violinen sind im Hintergrund und spielen nur ganz zart ein paar Passagen im Stück.
Mit „A Man with a Big Heart“ kommt ein kleines Interlude, welches voller Liebe und Gefühl ist. Taniec Magurski ist ein Stück im Stil klassischer polnischer Folklore. Das Stück steigt an, trotzdem kann man den Rhythmus hier noch mitklatschen. Der Abschluss kommt mit „Elegy“, welches den vielen polnischen Künstlern gewidmet ist, die nicht mehr unter uns weilen. Ein Stück voller Trauer, aber auch einer Prise Hoffnung.
Die Besonderheit an dieser CD ist, dass man die Historie polnischer Musik sehr gut nachverfolgen kann und der Name der Titel sich in der Musik widerspiegelt. Das Atom String Quartet harmoniert perfekt mit Vladyslav Sendecki. Das Quartett gibt den Stücken viel Eleganz und sehr viel Ausdruck und Nachhaltigkeit. Daher kann ich die CD mit gutem Gewissen wärmstens empfehlen.
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