CD-Review: Helmut Kagerer "blue man"
Wir schreiben das Jahr 1997 und ein ganz kleiner Bub sitzt im Münchner Jazzclub Unterfahrt. Dieser Bub hört dabei Roman Schwaller mit Helmut Kagerer und ist von der Intensität und Virtuosität der Musik mit dem Namen Jazz sehr begeistert. Dieser Bub war ich. Auch heute bin ich von dieser Musik immer noch sehr angetan. Die CD „Gamblin“ von damals habe ich auch heute in meiner Sammlung. Für dieses Review habe ich diese CD nochmals mit viel Freude angehört. Es ist eine sehr intensive Musik, die an den Jazz der 60er Jahre erinnert.
Viele Jahre später, bin mittlerweile zwanzig Jahre älter und etwas weiser, sah ich Helmut Kagerer im September im Stuttgarter Jazzclub Bix mit Ralph Lalama.
Review siehe hier:
https://www.jazzreporter.com/2017/11/12/ralph-lalama/
Die Erinnerung an das Konzert hat mich veranlasst, seine CD „blue man“ zu besorgen.
Zunächst ein paar Informationen zu Helmut Kagerer:
Helmut Kagerer wurde 1961 in Passau geboren. Im Jahr 1981 ging er nach München, um an der Munich Jazz School zu studieren. Er schloss dieses Studium dort 1984 ab. Danach setzte er für ein Jahr bis 1985 sein Studium in Graz fort, wo er auch eine klassische solide Ausbildung an der Gitarre erhielt. In den 80ern hat Helmut Kagerer seine Gitarrenkunst weiter verfeinern können, durch Unterricht bei vielen Meistergitarristen, darunter solche Namen wie Atilla Zoller oder Tal Farlow. In den nächsten Jahren etablierte er sich als Gitarrist in der europäischen Jazzszene im Bereich des Mainstream Jazz (Jazz der 50er/60er Jahre). Seit dem Jahr 1991 ist Helmut Kagerer am Meistersinger-Konservatorium als Dozent für Jazzgitarre in Nürnberg tätig. Seit den frühen 90er Jahren hat er zahlreiche eigene Platten aufgenommen. Außerdem hat er diverse namhafte Jazzer begleitet, wie z. B.: Buddy Defranco, Don Pullen, Nathan Davis, Benny Bailey, Karl Ratzer …. Heute zählt Helmut Kagerer zu den gefragtesten Gitarristen für Tourneen und Konzerte.
Zum Schlagzeuger Bernd Reiter habe ich schon auf meinen Blog ausführlich berichtet:
https://www.jazzreporter.com/2017/07/01/bernd-reiter-interiview/
Der Bassist Davide Petrocca zählt auch zu den gefragten Bassisten in Europa, der mit namhaften Künstlern wie Monty Alexander, Charly Höllering gespielt hat. Eventuell werde ich Davide Petrocca hier noch ausführlicher im Blog darstellen. Auch auf Platten von Gismo Graf ist das tolle Bassspiel von David Petrocca zu hören.
Jetzt aber ein paar Worte zur Musik:
Die CD „blue man“ ist eine Mischung aus Standards und Eigenkompositionen. Die Eigenkompositionen von Helmut Kagerer findet man teilweise auch auf seinen älteren CDs. Das Trio klingt sehr direkt, als ob es live aufgenommen worden wäre. Die CD wurde im Jahr 2014 in Regensburg aufgenommen.Im Folgenden möchte ich kurz die Highlights der CD vorstellen.
Das Lied Tanger wurde ursprünglich von Dizzy Gilllespie geschrieben und strahlt eine Schönheit aus, denn es brilliert durch Kagerers schöne aufeinanderfolgende Akkorde. Bernd Reiter spielt dazu ein solides Tempo mit teilweise kleinen Tempoverschärfungen. Die schöne Eigenkomposition Song for my Lady ist durch ein direktes Zwischenspiel von Reiter und Kagerer geprägt. Das Stück fängt zunächst eher zart und leise an und steigert sich am Ende zu einem lässigen Swinger. Hier werden also musikalisch verschiedene Facetten der Lady vorgestellt. Ein Klassiker ist auch Tricotism mit einer ansteigend gespielten Eingangsmelodie von Helmut Kagerer. Davide Petrocca liefert dazu das passende swingende Bassspiel ab, was etwas an den Walking Bass á la Ray Brown erinnert. Dies ist also ein Lied zum Fingerschnippen und mitwippen!
In ganz andere Gefilde führt uns der zweite Teil der CD mit dem sommerlichen Lied Estate. Dazu passt die latinartige Grundstimmung des Stücks. Es ist aber ein trauriger Sommer, der einen sehr bittersüßen Nachgeschmack von nicht erfüllter Liebe hat. Diesen Schmerz verdeutlicht Kagerer mit lang gezogenen Akkorden, die noch leicht nachklingen. Eine wunderbare Melancholie für eine laue Sommernacht!
Confrontation kommt wie ein lockeres Bebop Stück rüber. Das Stück basiert auf den Changes von Charlie Parker und knüpft an den Parker-Klassiker „Conformation“ an. Den Schlussakt setzt Sweet Lorraine, hier eher als lockerer Blues, welcher relaxt vom Trio gespielt wird. Kagerer hält sich sehr eng an die Melodie mit kleinen Verzierungen um die Melodie herum. Ein Highlight des Stückes ist, dass Kagerer unmittelbar den gleichen Ton aufgreift, auf den Davide Petrocca sein Solo endet. Ein Gänsehautmoment!
Auch die anderen Stücke reihen sich an die beschriebene Grundstimmung an, mal melancholisch, mal ausgelassen aber von allen drei Musikern mit viel Herz und Drive gespielt.
Ich hatte noch die Möglichkeit Helmut Kagerer per Mail ein paar Fragen zur CD zu stellen:
Wie bist du auf den Titel der CD blue man gekommen?
Ich habe dieses blaue Foto von mir gehabt und meine Wurzeln sind tief im Blues, daher der Titel. (Ist spontan entstanden)
Wie habt ihr die CD aufgenommen?
Wir haben die CD live aufgenommen im Studio, also keine Kabinen, Kopfhörer etc. Wir drei in einem Raum ohne faulen Zauber, ehrlicher Jazz!!
Wie hast du die Stücke ausgesucht?
Das sind alles Stücke, die ich schon lange mal im Trio spielen wollte, ich hätte noch 100 andere!
Wer ist mit "Song for my Lady" gemeint- etwa deine Frau?
Ja, gut erraten! Das Stück habe ich für meine allerliebste Frau und Jazzliebhaberin Johanna geschrieben.
Was schätzt du an deinen Begleitern Davide Petrocca und Bernd Reiter?
Beide sind im swingenden Jazz zu Hause, wie sonst kaum noch einer, mit großem Repertoire und einem immensen Wissen über diese Musik.
Ich kann euch die CD empfehlen, sie ist auf Alessa Records in Österreich erschienen:
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