Jazz in Stuttgart (12)-Joel Locher
Musikkritiker neigen dazu Musiker in Schubladen zu stecken, entweder Mainstream Jazz oder den Fusionjazz. Bei Joel Locher ist das besonders schwierig, denn seine Spielart ist in keine Schublade zu stecken.
Joel ist ebenso in der Jazz Manouche Szene zu Hause, wie auch im modernen Jazz. Gerade jetzt die Tage erscheint seine neue Produktion Feuerland.
http://lalonova.de/2017/08/28/new-release-portosol-feuerland/
Joel ist aber auch festes Mitglied der Wawau Adler Group und dem Gismo Graf Trio. Er ist in den nächsten Wochen mit Wawau Adler unterwegs auf Tour.
Am 12.10.2017 tritt Joel mit Gismo Graf und Stochelo Rosenberg im Theaterhaus in Stuttgart auf.
http://www.theaterhaus.de/theaterhaus/
Er tourt außerdem regelmäßig mit der Soullegende Pee Wee Ellis und nebenbei plant er auch derzeit seine erste eigene Plattenaufnahme zu machen. Mehr Details zu dem Projekt erfährt ihr hier.
https://www.startnext.com/joel-locher
Joel arbeitet außerdem regelmäßig mit Jermaine Landsberger Quartett, Frank Kuruc Quartett auf. Für Mai 2018 ist eine Tournee mit André Weiß feat.Charly Antolini/Scott Hamilton geplant.
Ich bin aber froh, dass Joel vor seinen Tourbeginn noch kurz Zeit gefunden hat für ein Gespräch mit Jazzreporter.com. Das Interview fand am 03 Oktober in Stuttgart statt.
Danke Joel für deine Bereitschaft für das Interview.
Was fasziniert dich am Kontrabass?
Ich wurde schon sehr früh an die Musik durch meine Eltern herangeführt. Meine Mutter ist Opernsängerin und mein Vater auch klassischer Kontrabassist bei den Stuttgarter Philharmonikern. Ich begann mit 5 Jahren Cello und Klavier zu spielen. Später kam dann irgendwann doch der Kontrabass dazu, weil ich natürlich durch meinen Vater Albert Michael Locher inspiriert worden bin. Der Kontrabass thronte immer bei uns Zuhause wie ein König auf einem Sockel. Aber eigentlich kam ich dann durch den Jazz zum Kontrabass, weil ich von meiner Mutter mit 8 Jahren eine Django Reinhardt Hot Club de France Kassette geschenkt bekommen habe und ich einfach begeistert war von dieser Musik. Dann hab ich die Jazzplatten entdeckt von Lionel Hampton, Miles Davis, Oscar Pettiford, Oscar Peterson, Eberhard Weber, Wolfgang Dauner, Ray Brown, Nils Henning Orsted Pedersen..usw. Diese Platten waren in der Sammlung von meinem Vater. Ich spielte dann parallel meinen kleinen Bass zu den Jazzplatten.
Wenn man vom Kontrabass spricht denkt man an die großen Bassisten Ray Brown oder Nils Henning Orsted Peterson, hat dich ihr satter Klang inspiriert?
Ich wurde sehr früh zu den virtuosen und solistischen Bassisten hingeführt z.B. Nils Henning Orsted Pedersen, Eddie Gomez ,Oscar Pettiford, Ron Carter, George Mraz usw. sodass ich immer schon Freude hatte und es mich reizte solistisch und virtuos zu spielen. Ich würde schon sagen, dass man den skandinavischen Jazz aber auch die Klassik in meiner Musik durchaus heraushören kann. Natürlich kam ich dann auch zu Ray Brown, dem eisenharten Walkmeister, durch die Platten mit Oscar Peterson. Dieser satte, holzige, erdige Klang Ray Browns ist unübertroffen- an dem Klang führt kein Weg vorbei. Andere Bassisten von denen ich auch viel gelernt habe sind, um nur wenige zu nennen, John Patitucci, Brian Bromberg, Jaco, Paul Chambers, Christian Mcbride,Scott Colley,Milt Hinton, Larry Grenadier, Avishai Cohen..u.v.m
Ich habe gerüchteweise gehört, dass du auch Trompeter spielst. Stimmt das?
Ja, das stimmt! Ich habe in meiner Jugendzeit mal 4 Jahre lang, mit großer Freude, Trompetenunterricht genommen. Auch da habe ich immer zu den Jazzplatten gespielt und Jazztrompeten Lines rausgehört. Jetzt hängt die Trompete leider nur noch an der Wand als edles Musikinstrument. Aber ich steh einfach auf den Trompeten Sound!
Hast du eine Lieblingsstilrichtung im Jazz?
Ich habe ja klassischen Kontrabass an der Musikhochschule in Stuttgart studiert und habe in dieser Zeit und dann auch später sehr viel verschiedene Musikrichtungen kennengelernt von moderner klassischer Musik, 12 Ton, Neue Musik, Modern Jazz, Funk, Soul, Mainstream Jazz, Latin, Bossa, Samba Jazz, Gipsy Jazz, skandinavischem Jazz...usw. Ich höre Zuhause sehr viel klassische Musik und ganz unterschiedliche Jazzrichtungen, weil ich von jeder Musikrichtung etwas für mich rausholen kann.
In der klassischen Jazz Besetzung spielt der Bass eher eine Nebenrolle und ist ein solider Begleiter, wie schaffst du es dir trotzdem Gehör zu verschaffen?
Ich arbeite sehr gerne als Sideman und gehe der Rolle des Begleiters nach. Ich versuche die Band so gut wie möglich zu unterstützen, sodass der Song zu einem Ganzen wird. Wenn ich dann in einem Song ein Solo habe, dann stehe ich auch gerne im Mittelpunkt und mir bleiben alle Freiheiten, um mir Gehör zu verschaffen. Bei manchen Konzerten spiele ich auch ganz alleine Solobass. Bei diesen Konzerten improvisiere ich frei, dies ist ein unbeschreibliches Gefühl.
Warum ist das für dich ein unbeschreibliches Gefühl bei diesen Solokonzerten? Was ist die besondere Magie für dich?
Wenn ich frei improvisierte Musik spiele und ganz alleine auf der Bühne stehe, hat es einfach was Magisches. Man sollte sich komplett der Musik hingeben und versuchen in keine Raster oder Klischees zu verfallen. Keiner weiß was passiert, das Publikum nicht und ich selber auch nicht. Man komponiert sozusagen im Moment, live vor dem Publikum ohne Vorgaben und Formen.
In dem Zusammenhang habe ich gesehen, dass du ein Crowd Funding Projekt gestartet hast „Intensity of Bass“ kannst du mir mehr darüber erzählen?
Ja, ganz richtig. Ich habe 2018 vor meine Debut - CD Joel Locher Intensity of Bass zu veröffentlichen. Auf dieser CD werden Gäste wie Pee Wee Ellis, Scott Hamilton ,Alex Riel, Marian Petrescu, Joo Kraus, Jermaine Landsberger, Gee Hye Lee, Frank Kuruc, Guido May, Gismo Graf, Wawau Adler, Sandro Roy..u.v.m zu hören sein. Auf meiner Crowdfunding Seite Startnext.com/Joel-Locher kann man mich unterstützen sodass die anfallenden Kosten für die Debut CD Intensity of Bass Produktion nicht so hoch werden. Die Kampagne läuft jetzt noch 33 Tage. Es wäre natürlich fantastisch wenn noch viele Menschen da draußen mich unterstützen könnten. Danke Euch!!
Du bist auch in der Jazz Manouche Szene aktiv kannst du mir mehr über deine Zusammenarbeit mit Gismo Graf und Wawau Adler erzählen? Welche Aufnahmen gefallen dir besonders gut?
Wawau Adler war es, der mich mit 17 Jahren spontan gefragt hat, ob ich mit ihm in Heilbronn im Cave 61 im Jazzclub spielen würde .Ich hatte Zeit! Nach diesem Konzert hat Wawau Adler mich in seine Band geholt. Es wurde eine langjährige Freundschaft daraus und wir spielten tausende Konzerte europaweit mit der Wawau Adler Group. Im Gismo Graf Trio spiele ich nun seit 6 Jahren. Ich habe etliche Konzerte weltweit mit Musikern aus der Gipsy-Szene gespielt u.a. mit Bireli Lagrene, Jermaine Landsberger, Stochelo Rosneberg, Sebastian Giniaux,Martin Weiß, Tim Kliphuis,Eva Slongo..usw. mit Tourneen nach Japan, Korea, New Zealand,Kanada,Italien,Frankreich,Tschechien,Polen,England,Afrika, Australien, Sardinien,Dänemark,Finnland, Norwegen…usw.
Du bist ja auch Halbschweizer, was schätzt du an der Schweizer Jazzszene?
Meine Mutter kommt aus St.Gallen in der Schweiz .Ich habe die schweizer- und deutsche Bürgerschaft. Aktuell spiel ich immer mehr Konzerte in der Schweiz wie z.B Marians Jazzroom Bern,Basel, Moods Jazzclub Zürich, Klosters, St. Moritz, Salzhaus Brugg, Thalwil, Ascona Jazzfestival usw. In der Schweiz gibt es eine sehr rege Jazzszene und es gibt unzählige Jazzclubs von klein bis groß. Das es in einem so kleinen Land so viel Jazz gibt...einfach fantastisch! Das Schweizer Jazz Publikum ist auch sehr dankbar und ich liebe den Schweizer Enthusiasmus. Jetzt im Oktober 2017 gehe ich on tour in die Schweiz und Bayern mit dem Horowitz des Jazz Pianos Marian Petresu, Alex Riel (dänische Drumslegende Bill Evans Trio, Dexter Gordan, Oscar Peterson.)und Wawau Adler. ich freue mich schon riesig auf die Tour u.a spielen wir auch auf Schloss Elmau ein Mekka für den Jazz und die Klassik.
Im Oktober kommt die neue Produktion Feuerland raus. Welche Musik können wir erwarten? Es klingt mystisch und geheimnisvoll.
Die CD Produktion Feuerland von Portosol erscheint im Oktober 2017. Die Musikrichtung ist schwer zu beschreiben, aber es geht in Richtung Experimentelle Musik mit etwas Jazz und anderen Musikstilen. Frei und unkonventionell ist das Motto der Produktion. Mit dabei sind Daniel Kartmann- dr effects, Vibes / Daniel Vujanic- Guitar, Effects. Das spannende der Produktion ist, dass die Produktion auch auf LP erscheinen wird. Ich freue mich sehr darauf!
Was erhofft ihr euch von der LP-Veröffentlichung? Wollt ihr auf den derzeitigen Vinyl-Boom mitaufspringen?
Wir haben mit Portosol von Anfang an vorgehabt eine Vinyl Platte und eine CD bei der Produktion "Feuerland“ herauszubringen. Eine Vinyl Scheibe passt einfach auch hervorragend zu unserer Musik. Es hat also nichts mit dem Vinyl Boom zu tun, dass wir jetzt eine Vinyl Platte rausgebracht haben. Außerdem ist auch so eine Vinyl Platte eine Liebhaberei und sieht einfach geil aus!
Du tourst in Europa und international aber auch mit solch Leuten wie Pee Wee Ellis-was schätzt du an Pee Wee Ellis besonders?
Seit ein paar Jahren gibt es die Band FUNKA NOVA mit Pee Wee Ellis/Peter Fessler und Guido May. Ich freu mich sehr ein Teil dieser Band zu sein, weil es natürlich auch eine Ehre ist neben solch einer JazzsoulLegende wie Pee Wee Ellis zu spielen. Hiermit möchte ich mich bei Produzenten Stefan Meyner von Minor Music bedanken, der mich weitergebracht und gefördert hat.
Du bist in Stuttgart geboren- ist Stuttgart für dich eine Jazzstadt?
Genau, ich bin in Stuttgart geboren und wohne auch ziemlich gerne in Stuttgart, weil die Stadt nicht zu groß ist und man doch etwas Großstadtfeeling schnuppern kann .Es gibt in Stuttgart mittlerweile eine große Jazzszene mit hervorragenden Musikern und das nicht nur im Jazzbereich. Außerdem fantastische Jazzclubs wie z. B Bix Jazzclub oder Kiste. Natürlich darf man dann nicht die Jazzopen vergessen .Es ist jazzmäßig immer was geboten. Ich bin absolut zufrieden mit der Jazzsituation in Stuttgart und das obwohl ich hauptsächlich Konzerte außerhalb von Stuttgart gebe. Aber man kann Stuttgart gerne als Jazzstadt bezeichnen.
Auf Facebook habe ich neulich ein Foto von dir im Schloss Bellevue in Berlin gesehen, bist du dem Bundespräsidenten begegnet?
Ja,richtig - ich war neulich mit dem Sandro Roy Quartett, mit Paulo Morello und Sasha Reinhard, in Berlin für ein Konzert beim Bundespräsidenten Steinmeier. Für uns war es schon das zweite Mal, dass wir für den Bundespräsidenten gespielt haben. Wir haben auch Herrn Steinmeier Backstage getroffen und mit ihm gesprochen. Dabei sind schöne Fotos entstanden u.a auch mit dem Star Pianisten Lang Lang, der auch an dem Abend ein Konzert gegeben hat.
Du hast viele Leute als Sideman begleitet, was sind die Herausforderungen des Sideman?
Halte Dich im Hintergrund und begleite solide und stetig und habe offene Ohren aber wenn Du ein Solo hast geh aus dir heraus, pack aus und spiel frech!!
Planst du in der Zukunft mehr Gigs als Leader zu geben?
Ja, wenn meine Debut - CD Intensity of Bass 2018 veröffentlicht wird, dann werde ich viele Konzerte auch als Leader machen und europaweit Konzerte buchen. Ich freue mich schon sehr darauf.
Auf welche CD-Produktionen können wir uns im kommenden Jahr von dir freuen?
Also da ist ja die CD und LP Feuerland von Portosol die schon im Oktober 2017 erscheint.
Ende 2017 erscheint die CD Gismo Graf Trio feat.Ludovig Beier live at Parktheater Augsburg /Django Memorial
Joel Locher/ Wawau Adler feat. Marian Petrescu/Alex Riel - A Night in Switzerland live at Salzhaus Brugg.
Debut - CD - Joel Locher Intensity of Bass
Danke für das Interview
Ich habe zu danken!!
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Patrick Manzecchi (Samstag, 10 Februar 2024 20:27)
Ein wirklich hervorragender Bassist. Danke für das Interview!