Jazz in Stuttgart (4)- Daniel Messina Interview
Am 30.01.2017 war ich in der Jazz Kiste in Stuttgart um Franco Petrocca zu hören. Zum ersten Mal live hörte ich dort den Schlagzeuger Daniel Messina. Seine Musik kannte ich nur über die CD „El futuro es hoy“. Daniel hat mich als Schlagzeuger sehr begeistert, denn er feuerte die Band mit seinem Spiel an. Aber Daniel hat auch gleichzeitig seinen eigenen Groove. Ein vielseitiger Schlagzeuger!
Daniel lebt seit 25 Jahren in Deutschland tritt mit verschiedenen Gruppen in ganz Deutschland auf. Er hat sein eigenes Trio mit Ull Moeck und Thomas Rotter. Als ich ihm fragte ob er für ein Interview bereit sei, hat er sofort spontan zugesagt.
An einem Samstagnachmittag besuchte ich Daniel in seinen eigenen Mulatina Studios in Esslingen.
Mehr Infos findet über Daniel findet ihr hier
Daniel betreibt auch die Gruppe „Jazz in Germany“ auf Facebook
Hallo Daniel, schön, dass du Zeit gefunden hast für Jazzreporter, wie fühlst du dich heute in Stuttgart?
Ja, ich wohne seit mittlerweile 25 Jahren in Deutschland. Im letzten Jahr gab es zum Jubiläum schöne Konzerte mit meinem Trio und mit dem Sextett. Bei diesen Konzerten spielten wir verschiedene Lieder aus meinen vergangenen Platten. Ich habe einen langen Weg zurückgelegt, schon ein paar Monate nach meiner Ankunft landete ich hier in Stuttgart.
Von hier aus hat sich alles ergeben, insbesondere der Kontakt mit den Musikern aber auch mein weiteres Privatleben. Ich finde, Stuttgart ist ideal für einen Musiker, weil die Stadt relativ zentral in Europa liegt.
Wie war deine Jugend in deiner Heimatstadt in Buenos Aires?
Ich bin dort in einer eher ländlich geprägten Gegend groß geworden. In meiner Jugend habe ich die volle multikulturelle Vielfalt von Argentinien kennengelernt. Leute aus ganz Argentinien wohnten in meiner Nachbarschaft. Überall hörte ich Musik von Tango bis Folklore aber auch andere Musik. Diese musikalische Mischung war hochinteressant, dies hat auch meinen weiteren Lebensweg geprägt.
Argentinien ist ein Einwanderungsland und Buenos Aries ist eine Stadt der vielen Klänge von Menschen aus der ganzen Welt.
Gab und gibt es in Buenos Aires eine große Jazzszene?
Ja, wir haben sehr viel Jazz.
Gustavo Bergalli, einer unserer wichtigsten Jazz-Trompeter, hat mir mal zu dem Thema eine schöne Geschichte erzählt: in den Clubs, hatten damals die Jazz- und Tangomusiker gegenseitig einen regen musikalischen Austausch. In den Pausen saßen sie oft lange zusammen und haben viel geredet und getrunken und gemeinsam Musik gemacht! Eine Grenze zwischen Tango- und Jazzmusik gab es nicht.
Natürlich gibt es bei uns Clubs für den traditionellen aber auch Orte für den zeitgenössischen Jazz. In Buenos Aires kann man eigentlich alles hören.
Wie bist du zum Schlagzeug gekommen?
Daran hatten meine Brüder, die zehn und elf Jahre älter sind als ich, einen maßgeblichen Anteil. Als sie 16 und 17 Jahre alt waren, wollten sie eine Band gründen und kauften sich eine E-Gitarre und ein Schlagzeug. Aber mein Bruder, der Schlagzeug spielen sollte, hat das Instrument fast nie gespielt, aber als ich das Instrument sah, wollte ich sofort trommeln! Ich war sechs Jahre alt und schon damals sehr neugierig, das Schlagzeug hat mich total angezogen.
Etwas später zeigte mir mein ältester Bruder ein paar Rock Grooves und ein paar Platten. Ich spielte, das was ich auf diesen Platten hörte, einfach nach. Ja, das hat mir viel Spaß gemacht. Ich habe also als Autodidakt angefangen.
Das Schlagzeug hat viele große Drummer gehabt. Zu Beginn deiner Karriere hattest du ein Buch von Gene Krupa gelesen? Wie hat dich Gene Krupa beeinflusst?
Am Anfang war das Buch eine große Hilfe für mich, es hat mich auch zum Jazz gebracht. Es enthält sinnvolle Konzepte. Im Laufe der Zeit besorgte ich Platten von Gene Krupa, da hörte ich zum ersten Mal improvisierte Jazz-Solos. Ich hatte damals keine Möglichkeit von einem Lehrer das Schlagzeugspielen zu lernen, daher lernte ich von diesen Buch und Jazzplatten.
Louis Bellson sagte mal, dass Gene Krupa einen großen Einfluss auf die Big Band Drummer hatte. Als ich Gene Krupa im Fernsehen sah, hat er mich auch menschlich beeindruckt, an seinem Gesicht sah man, dass er richtig Freude hatte. Das hat mich zusätzlich motiviert meinen Weg als Schlagzeuger weiter zu gehen. Eines Tages hörte ich Tony Williams, Elvin Jones...eine andere Ära hatte für mich begonnen.
Du warst ja schon Ende der 80er Jahre in deiner Heimat ein etablierter Schlagzeuger. Warum bist du 1991 nach Deutschland ausgewandert?
Mit Deutschland hatte ich im Jahr 1985 Kontakt als ich über ein Programm vom Goethe- Institut das erste Mal mit deutschen Musikern zusammenspielte. Der Austausch war hochinteressant und ich träumte schon damals von einer Tournee durch Europa. Ich wollte immer andere Kulturen und neue Musik kennenlernen.
Ich war zu der Zeit schon in der Jazzszene drinnen und hatte auch meine eigene Band. Argentinien kam aber von einer langen Diktatur-Periode, daher war die Lage für freiheitsliebende Künstler wie mich sehr schwierig. Dies war der entscheidende Auslöser mein Heimatland zu verlassen.
Vieles hat sich in Deutschland positiv ergeben, auch weil viele Leute, die mittlerweile meine Freunde sind, mich offen aufgenommen haben und mir sehr viel geholfen haben.
Wie ist die Zusammenarbeit mit Barbara Dennerlein entstanden?
Nach meiner Ankunft in Deutschland hatte ich sie im TV gesehen und ihr Stil gefiel mir einfach gut. Also kontaktierte ich sie und schickte ihr meine CD „Solo en Europa“. Kurz danach rief sie mich an, wir haben geprobt und hatten viel Spaß und ich wurde dann von ihr engagiert.
Es war damals ein großer Schritt für mich. Auf einmal war ich nahezu weltweit mit ihr auf Tour. Ich erinnere mich insbesondere an die Konzertreihe im Blue Note Club in Tokio. Es war eine Rekordwoche für das Blue Note, denn alle unsere Konzerte waren ausverkauft. Das japanische Publikum war total verrückt nach Jazz. Tokio ist außerdem eine sehr interessante Stadt. Das wird für mich immer unvergesslich bleiben. Wir waren mit 31 bzw. 32 Jahre alle sehr jung. Wir haben mit viel Leidenschaft und Feuer gespielt. Es war für mich die beste Zeit mit dem Barbara Dennerlein Projekt.
Es waren 11 erlebnisreiche Jahre für mich, viele Tourneen, Festivals, Clubs, Orte von denen man als Jazzmusiker immer träumt und 3 CDs Aufnahmen: 2 Duo-Produktionen und eine mit Sinfonieorchester, mit tollen Arrangements von meinen guten Freund und Kollegen Peter Lehel.
Welche Rolle spielt das Schlagzeug für dich in einer Band?
Der Schlagzeuger setzt das Fundament und den Rhythmus für die Band. Die anderen Mitmusiker können darauf ihre Melodien und Harmonien aufbauen. Der Schlagzeuger muss das Geschehen ganz genau im Auge behalten und offen für die Einwürfe seiner Mitmusiker sein.
Es ist wie ein aktiver Dialog oder eine aktive Kommunikation mit den Mitmusikern. Gleichzeitig muss der Beat also das rhythmische Fundament erhalten bleiben.
Für mich ist der Schlagzeuger das Herz einer Band. Viele Schlagzeuger in der Geschichte der Musik haben durch ihr Spiel den Sound der Band geprägt. Man denke z.B. an Tony Williams bei Miles Davis. Auch ich versuche einer Band durch mein Spiel einen Sound zu geben.
Was ist Jazz für dich?
Jazz ist für mich Freiheit! Im Jazz kann man seinen eigenen Sound und die eigene Persönlichkeit zum Ausdruck bringen, das finde ich sehr wichtig.
Du bist ein sehr melodiöser Schlagzeuger, dies ist mir vor allem auf deinem Album „El sol sale“ aufgefallen. Welche Erinnerung hast du an diese Produktion mit deinem Trio?
Der Titel (auf Deutsch „Die Sonne geht auf“) lehnt sich an das Stück von George Harrison „Here Comes The Sun“ an. Diese Atmosphäre prägt auch das Album. Es war eine sehr schöne Zeit mit meinem Trio.
Wenn ich ein Album mache, dann soll der Titel auch musikalisch für den Hörer zu spüren sein. Jedes Lied soll wie eine kleine Geschichte, wie ein kleiner Film für den Zuhörer sein. Und das ist uns mit Ull und Thomas sehr gut gelungen.
Wie ist die Konzertreihe in der Kiste zu Stande gekommen mit Antonio Cuadros De Béjar?
Antonio kenne ich seit vielen Jahren schon seit meiner Zeit mit Barbara Dennerlein. Eines Tages rief mich Antonio an und fragte, ob ich Lust hätte mit ihm bei einer Konzertreihe in der Kiste mitzumachen. Mir hat sein Konzept der wechselnden musikalischen Gäste besonders gut gefallen. Ich habe natürlich sofort Ja gesagt. Über die letzten Jahre habe ich auf dem Weg mit vielen interessanten Musikern aus der Region Stuttgart zusammengespielt.
Die Kiste war das erste Jazzlokal, welches ich nach meiner Ankunft in Stuttgart kennengelernt habe. Ich bin froh, dass ich jetzt regelmäßig dort spiele.
Wie ist deine Konzertreihe Jazz Edge zu Stande gekommen?
Zu der Zeit, das war so im Jahre 2001, hatte ich keine Zeit meine Musik zu spielen, ich war mit Barbara
Dennerlein viel unterwegs. Ich wollte einen festen Ort haben, in dem ich mein Projekt vorstellen konnte. Damals gab es „Buch Julius“ in
Stuttgart von Julius Pischl. Er war ein verrückter Jazzliebhaber, der bis zu seinem Lebensende (Anmerkung JP: 2012) 99 CD Produktionen mit seinem Label veröffentlicht hat.
In seinem Laden stellte ich meine CD „Imágenes“ vor und da erzählte ich ihm meinen Wunsch, eine Konzertreihe zu machen. Er war sofort von der Idee begeistert. Also spielte ich von da an mit Ull Moeck (Klavier) und Thomas Rotter (Bass) einmal im Monat in seinem Buchladen. Unsere Konzerte waren immer sehr gut besucht und es hat immer Freude gemacht da zu spielen, es war eine verrückte schöne Zeit! Ein Mensch wie Julius fehlt in der Jazzszene in Stuttgart.
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Wie beurteilst du die Jazzszene in Stuttgart?
Stuttgart ist eine aktive Jazzstadt. Es gibt viele gute Jazzmusiker und Clubs wie z.B. die Kiste, das Traditional Jazz Hall, der Bix Jazzclub. Jetzt, gibt es auch Eumel im Westen.
In Esslingen, wo ich jetzt wohne, gibt es den Jazzkeller und das Dulkhäusle. Auch in unmittelbarer Nähe zu der Region Stuttgart gibt es viele interessante Jazz-Clubs.
Mit der Soulsängerin Melva Houston hast du ein sehr souliges Stück „You Are My Angel“ aufgenommen. Wie ist dieses Stück entstanden?
Melva ist eine großartige Sängerin und ein toller Mensch. Ich habe im Jahr 2001 kurz als Aushilfe in ihrer Band gespielt. Im Jahr 2009 haben wir uns dann wieder für eine Tournee getroffen und eine Platte mit ihrer Band aufgenommen. Wir spielen seitdem jedes Jahr zusammen. Dieses Jahr kommt sie in November.
Das Stück „You Are My Angel“ habe ich für meine Frau komponiert. Melva war so begeistert, als ich es ihr zeigte, dass Sie es gleich aufnehmen wollte. Es war das erste Mal, dass Sie eine Komposition von mir sang. Ich habe mittlerweile mehrere Lieder für Melva geschrieben und arrangiert, die wir schon live gespielt haben.
Arbeitest du gerne mit Sängerinnen zusammen?
Ja, ich arbeite sehr gerne mit Sängerinnen zusammen. Aktuell habe ich ein hoch interessantes Duo-Projekt mit María Elía aus Argentinien. María spielt Klavier und singt dazu und ich spiele Percussion, u.a. Bombo, die argentinische Trommel. Wir spielen eigene Kompositionen und bekannte Stücke aus Argentinien. Sie singt sehr ausdrucksstark.
Ich kenne von dir auch die CD „El Futuro es hoy“, in der die Musik genau wie das Cover sehr farbenfroh klingt. Wie sind diese Stücke auf der CD entstanden? Was hat es mit den Bonustrack „Salsongo“ auf sich?
Das Cover hat meine älteste Tochter gemalt, als sie drei Jahre alt war. Das Cover passt zum Titel der CD „El Futuro es hoy = Die Zukunft ist heute“. Ich habe das Bild von meiner Tochter gemeinsam mit dem Graphiker Volker Laucher bearbeitet. Volker hat auch andere Covers für meine CDs gemacht. Das Cover war eine sehr gute Abrundung für die CD.
Die Farben passen perfekt zur Musik. Ich habe diesmal mit der Musik gemalt, es ist vergleichbar mit einem Maler, der mit vielen Farben ein Bild malt. Die Instrumentenvielfalt (Percussion, Bandoneón, Marimba, Vibraphon etc.) ist das Merkmal der CD.
Die Stücke auf der CD sind alte und neue Kompositionen. Ich habe die Lieder teilweise aus verschiedenen Schubläden zusammengesucht.
Es sind viele Stücke liegen geblieben, die ich vielleicht mal für eine neue CD verwenden werde. Aber diese CD soll dann nicht gleich klingen, sondern eine Weiterentwicklung darstellen. Ich werde in Ruhe schauen, wann dafür der passende Zeitpunkt ist. Ich habe hier keine Eile.
Den Bonustrack „Salsongo“ hatte ich schon auf meiner CD „Solo en Europa“ drauf, damals aber alles selber mit Keybord gespielt. Es ergab sich jetzt die Möglichkeit das Lied mit Bläsern aufzunehmen.
Wie lange gibt es schon die Daniel Messina Band?
Seit 23 Jahren. Es gibt eine Besetzung mit argentinischen Musikern, mit denen ich bei meinen Besuchen in meiner Heimat auftrete und die Besetzung mit Musikern aus Stuttgart.
Im Jahr 2005 fand ein tolles Ereignis statt: mein Trio aus Deutschland kam nach Argentinien und wir haben unvergessliche Konzerte mit meiner argentinischen Band zusammengespielt.
Du spielst oft mit deutschen Jazzmusikern. Was gefällt dir an diesen Musikern besonders?
Ich bin sehr dankbar für die Offenheit der deutschen Mitmusiker. Ull Moeck ist ein wichtiger Pianist in der Stuttgarter Jazz-Szene. Ich finde es toll, dass er sich auf meine Musik einlässt und sich für meine Kompositionen begeistern kann. Das gleiche gilt für Thomas Rotter. Ich habe mit Ull und Thomas nicht nur die Reihe „Jazzedge“ gemacht, die ca. 10 Jahre dauerte, sondern auch viele tolle Konzerte gespielt.
Ich habe hier auch das Glück gehabt mit Musikern aus vielen verschiedenen Ländern und Kulturen zu spielen.
Wie bist du auf die Idee gekommen die Gruppe „Jazz in Germany“ auf Facebook zu gegründen?
Ich habe vor 10 Jahren die Gruppe „Argentinische Musiker im Ausland“ auf Facebook gegründet. Es war eine interessante Austauschgruppe mit Musikern aus meinem Heimatland. So kam ich auch auf die Idee eine Gruppe für die Jazzmusiker in Deutschland zu gründen. Ich wollte eine bessere Vernetzung zwischen den Musikern erreichen.
Vor ein paar Jahren gab es mehr Jazzsendungen im TV und Radio als heute. Daher müssen wir Musiker und Fans Präsenz zeigen. Nur so können wir den Jazz aktiv gestalten und erhalten. Mit der Gruppe „Jazz in Germany“ auf Facebook wollte ich dazu einen Beitrag leisten.
Was sind deine nächsten musikalischen Projekte?
Ich werde weiter mit meinem Trio und meiner Band arbeiten, weiterhin als Sideman mit anderen Künstlern zusammenspielen (Melva Houston, Real Blues Band, Sabine Petrich Band, Latin Affairs, u.a.) und mit der Band mit Wolfgang Schmid und Thomas Langer, mit der wir seit 2004 berühmte Rockliedern, mit eigenen wilden Ideen spielen.
Mit meinem alten Freund Franco Petrocca (E-Bass) und Ricardo Fiuza (Piano) sind wir auf den Weg ein neues Trio zu bilden. Hier müssen wir schauen, wie es sich weiterentwickelt. In meinem Studio will ich auch weiterhin aufnehmen und produzieren.
Und natürlich unterrichte ich auch weiter sehr gerne Schlagzeug.
Würde dich auch ein Projekt mit einer großen Band interessieren?
Ja, klar aber das wird zunächst ein Traum bleiben. Es wäre toll, wenn ich meine Musik mit einer Big Band spielen könnte.
Vielen Dank für das Interview!
Ich danke dir auch. Ich hoffe, wir sehen uns wieder beim nächsten Konzert!
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Dorothee Freund (Donnerstag, 02 März 2017 08:39)
Durch deine Reportage habe ich viel Wissenswerte über Daniel Messina erfahren. Auf seinem künstlerischen Lebensweg hat er mit großartigen Musikern gearbeitet! Seine CD: El futuro es hoy gefällt mir sehr gut. Auf das neue Trio mit Franco und Ricardo bin ich gespannt; das wird sicher fantastisch!
Danke für diesen neuen Beitrag vom Jazzreporter Alexis�